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Was geht wirklich ab in der Wiege unserer Musikszene

1. Wenn du an die ersten elektronischen Goa-Partys zurückdenkst und sie mit dem vergleichst, was heute so los ist: Was ist der größte Unterschied?

Der größte Unterschied zu heute ist, dass es in Goa quasi keine Goa-Partys im alten Sinne mehr gibt. Natürlich steigen heute noch viele Events, etwa im Curlies und im Shiva Valley am Beach, bei Ramdas in der Nine Bar oder im Hilltop, einer eingezäunten Location mit Eintritt. Die Originale vor 20 Jahren jedoch fanden im Dschungel oder am Meer statt. Da gab es indische Chai-Ladies, da waren die Bettler mit ihren heiligen Kühen und die Spieler mit ihren Spielkarten und Blechbechern auf ihren großen Decken, auf denen sich Berge von kleinen Rupie-Scheinen türmten. Alle durften mitverdienen. Heute handelt es sich meist um abgeschlossene Orte, oft auch Indoor, die Bar- oder Restaurantbesitzern gehören. Die machen die Partys, die verdienen damit. Leider gibt es keine wilden Locations mehr.

2. Im Deutschen grassiert ja der augenzwinkernde Spruch: G.O.A. bedeutet Geld Ohne Arbeit. Trifft das auf das heutige Goa zu? Erzähl uns ein bisschen über typische, besonders reicher Eltern bzw Hippies mit dem neusten iPhone? Wie sehen die typischen Goaraner heute so aus?

Ich kenne diesen mehr oder weniger dummen Spruch nicht, und es trifft auch nicht auf das heutige Goa zu. Wer dort oder mit „Goa“ Geld verdienen möchte, muss dafür nach wie vor hart arbeiten. Diese Leute heute sind keine Aussteiger, sondern man könnte sie eher als Einsteiger bezeichnen. Die Kinder reicher Eltern und Hippies mit iPhone gibt es in der Traveller-Szene überall. Einen typischen Goaraner habe ich nicht vor Augen. Ich glaube, dort wie überall ist die Vielfältigkeit der verschiedenen Persönlichkeiten groß. Wegen des Aussehens sollte man Leute auch nicht in einen Topf stecken.

3. Man hört von weiblichen Travellern immer wieder, dass sie von Männern in Indien recht aufdringlich behandelt werden. Was sagst du zu diesem Thema? Gab es da in den letzten Jahren eine Veränderung? Worauf müssen sich weibliche Solo-Traveller gefasst machen?

Ich versuche seit vielen Jahren in die indische Seele zu schauen. Mir selbst ist das nicht extrem aufgefallen. Aber man weiß, dass man auf der ganzen Welt als allein reisende Frau sich abends nicht leicht bekleidet an den falschen Stellen aufhalten sollte. In Indien ist darauf höchstwahrscheinlich ein bisschen mehr zu achten als in Europa. Abends nach Sonnenuntergang sollten Frauen einsame Stellen meiden und am dunklen Strand eine männliche Begleitperson dabeihaben. Angestarrt wird man als hübsches Mädchen auf Partys auch anderswo. Das Problem der Vergewaltigung von Frauen besteht leider weltweit.

4. Außerdem hört man immer mal wieder, Goa sei schon seit Jahren zum “Party Mallorca” verkommen und das ganze wäre von vorne bis hinten “Kommerz”. Du bist seit Jahren ein Teil der Szene – aber sag mal ganz ehrlich: Ist Goa noch alternativ (was auch immer das bedeuten mag) ? Inwieweit würdest du es noch als “underground” beschreiben (auch hier die interessante Nebenfrage: Was bedeutet das heutzutage eigentlich)?

Kommerz gibt es in allen bekannten Reisezielen. Goa ist ein stark frequentiertes Party- und Urlaubsparadies, und als Geschäftsmann kann man sich in in Goa gut selbstständig machen und Geld verdienen. Viele Menschen dort sind kreativ und lieben, was sie tun. Sie entwerfen Klamotten, sind Teil des berühmten Flea Markets, arbeiten als DJs oder betreiben schöne Café’s und Restaurants mit gutem Food. Die Zeit des Underground ist aber vorbei. Goa war vor 20 Jahren Underground. Heute ist Psytrance, Techno und elektronische Musik, all das, was in Goa Motor für die Entwicklng war, allgemein von allen Gesellschaftsschichten anerkannt. Es gibt ein Riesenangebot an Yoga, Meditation, alternativer Ernährung und vieles mehr rund um Body&Soul, aber auch das ist nichts Ungewöhnliches mehr. Eine Alternative zu Deutschland jedoch ist unschlagbar: das schöne Wetter in den Wintermonaten! (-:

5. Wenn du an all die Jahre zurückdenkst: Bitte erzählt uns von 2,3 Höhepunkten und 2,3 Tiefpunkten, die du in Goa erlebt hast. Persönlich, aber auch was den Ort als Ganzes angeht!

Ein Tiefpunkt war der Tod meines damals besten Freundes Klaus aus Berlin, der mir geholfen hat, die erste Antaris zu verwirklichen. Er starb bei einem Motoradunfall in Goa. Ich kann nur sagen: Achtung an alle Motorradfahrer, es ist heute gefährlicher denn je!
Ein Tiefpunkt war auch das Ende der alten Dschungel-Partys, die immer frisch und aufregend waren. Alle fuhren mit den Motorrädern herum und suchten die Location. „Where is the party, where ist the party?”, fragte man sich an den Kreuzungen. Man hörte irgendwo den Sound wummern und musste die Party in der Richtung suchen, aus der die Bässe kamen. Manchmal fuhren wir ein bis zwei Stunden herum, um die Party zu finden. Umso schöner war das Ankommen, und alle waren glücklich. Damals eben noch mit Chai-Ladies, Spielern, Bettlern. Es war toll! Ein anderer Höhepunkt neben den Dschungel-Partys war Olli Wisdom. Er brachte neue Musik nach Goa. Ich erinnere mich an zwei Partys, etwa Mitte in den 90ern. Eine stieg irgendwo bei Morjim oder Ashwem im Palmenwald am Meer, die andere direkt neben meinem damaligen Haus am Grand Peddem im Bamboo Forest, Anjuna. Es waren geniale Partys, denn es wehte ein frischer musikalischer Wind. Eine neue stimmungsvolle Zeit wurde eingeleitet, die im neuen Jahrhundert in Goa dann zu Ende ging. So, wie eben alles Schöne mit der Zeit vergeht.

Antaris Uwe
Uwe ist seit vielen Jahren Kenner der Szene n Goa und Veranstalter des Antaris Project in Stölln/Deutschland.
2018 findet die nunmehr 24. ANTARIS statt und unser Motto aktueller denn je ist:
AGAINST WAR! FOR FRIENDSHIP, PEACE & FREEDOM! LAUGH&DANCE!
www.antaris-project.de

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