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Es ist der Traum vom freien selbstbestimmten Leben voller Kreativität, der einige reizt, einem Festival-Shop zu eröffnen. Doch wie sieht die Realität aus? Shop-Betreiber berichten von ihren Ups und Downs.

Es ist zehn Uhr morgens. Die Sonne knallt bereits auf den Van hinterm Essensstand, in dem es ein paar Stunden Schlaf gab. Ein vorsichtiger Blick nach draußen: Noch ist es ruhig auf dem Festival-Gelände. Einige tanzen schon oder noch zu den entspannten Morgen-Sounds auf dem Dancefloor. Duschen? Zu weit. zu lange Schlangen. Oder keine vorhanden. Ein Kanister klares Wasser hinter dem Van tut es auch. Denn die Essensvorbereitungen warten. Um elf Uhr spätestens werden die ersten nach Essen fragen. Hoffentlich. Nicht jedes Festival ist gleich.

Eigene psychedelische Kunst kreieren

Die Niederländer Zoë und Stefan von InnerMind haben ihren Shop bereits geöffnet. Sie verkaufen Kunst und Schmuck aus Polyclay (Fimo) – selbstgemacht und schwarzlichtaktiv. Dazu gehören Mushroom-Ketten, Armbänder, Dreadbeads sowie Kleidung. Zoë erzählt, warum sie 2003 startete: „Ich habe Festivals immer schon geliebt und mochte die Arbeit im Büro-Umfeld nicht mehr. Davon hatte ich nichts außer Geld, um meine Rechnungen zu bezahlen.“ Unter Leuten zu arbeiten, die ihr Leben genießen, zu kreieren, ihre eigene Kunst zu verkaufen und damit andere glücklich zu machen ist das, was sie vom Shop-Leben erwartet und bekommen hat. Seit 2012 kann sie von ihrem Shop leben.
Aber das Festival-Leben ist mehr als nur glückliche Menschen sehen, Sonne, Musik, gute Vibes, und sich verbinden. „Risiken sind, dass sich dein Produkt nicht verkauft, weil kein Bedarf da ist oder es einen Overkill an Shops gibt. Auch Wetter und Besucherzahl kannst du nicht kontrollieren.“ Ihr schlimmstes Erlebnis: „Wir sind sieben Stunden gefahren, haben einen Tag lang den Shop aufgebaut. Dann hat ein Sturm den Stand teils zerstört. Und als das Festival starten sollte, hörten wir, dass es gecancelt wurde, mussten einpacken und wieder nach Hause fahren.“

Festival Shop impression
Festival Shop impression by allnighters.net

Spannende Begegnungen nah an der Musik

Dominik und Janina aus Deutschland waren mit ihrem vegan-vegetarischen indischen Essensstand Shiva Garden seit 2016 auf fast 30 Festivals dabei. „Wir wollten unser Leben verändern und etwas komplett Neues starten, Freiheit statt Jobroutine leben und das Ganze mit unserer Liebe zu Goa verbinden“, sagt Dominik. „Es waren absolute Glücksgefühle, als das erste positive Feedback zu unserem Essen kam.“ Dabei machte es schon fast nicht mehr aus, dass sie sich ganz am Anfang bei den Einkäufen verkalkulierten und wochenlang zwischen Kichererbsen und Reissäcken wohnten. Oft sind sie im Sommer wochenlang unterwegs und haben spannende Begegnungen immer nah an der Musik.
Über die Schattenseiten des Geschäfts sagen sie: „Es ist harte Arbeit, den Shop aufzubauen – in praller Sonne, bei Regen oder starkem Wind. Und wenn man auf ein Festival-Gelände kommt und schon gleich erkennt, dass es trotz anderer Versprechungen viel zu viele Shops gibt, fällt es schwer, bei guter Laune zu bleiben.“ Ihr schlimmstes Erlebnis: Bei Dauerregen steckten sie auf einem matschigen Festival-Gelände fest in großer Sorge, das nächste Event nicht erreichen zu können. Finanziell sei es für sie manchmal ein Leben mit Abstrichen. Was sie dennoch nicht missen möchten: Die Glücksmomente, das Miteinander, Spannung, Freiheit und neue Freunde aus der ganzen Welt.

Wild und frei leben

„Spaß im Team, mit Kunden und Kollegen, Lob der Gäste, dieses Wild-und Frei-Gefühl und das Untereinander-Helfen“, nennt Nadia die schönsten Momente am Shop-Leben. Seit 2005 verkaufen Nadia und Burkhard aus Deutschland als Torfnarren Falafel auf Festivals. Die Gründe für ihren Start: Unabhängig in Teamarbeit Herausforderungen angehen, einige Tage reinhauen, dann Ruhe haben, nicht von 9 bis 17 Uhr im Büro stecken und in der eigenen Szene unterwegs sein. „Ich möchte nicht tauschen und sehe viele meiner romantischen Vorstellungen verwirklicht“, sagt Nadia.

Dadurch, dass sie ein zweites Standbein haben, seien ihre Existenzen nicht bedroht, wenn es auf einem Festival mal nicht läuft. „Mein zweites Standbein ist allerdings im Herbst zusammengekracht. In Verbindung mit diesem katastrophalen Sommer komme ich gehörig in Nöte“, so Nadia. Ihre schlimmsten Festival-Erlebnisse: „Ein Veranstalter vergass, dass er uns buchte. Nächtliches Randalieren, Kichererbsen vergessen einzuweichen.“ Weitere Probleme hatten sie mit einer zu hohen Zahl von Ständen, schlechten hygienischen Verhältnissen, unseriösen oder total verplanten Veranstaltern. „Diese sollten sich darüber im Klaren sein, dass Ständler keine Haifische sind, die mit ihrer Arbeit viel Geld verdienen. Ständler sind das Gesicht des Festivals. Und wenn wir alle zusammen dieses Ding entstehen lassen und uns als ineinandergreifende Rädchen verstehen, wird alles besser und liebevoller funktionieren.“

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