Seite wählen

Kriminalisierung läuft aus, medizinisches Cannabis geht vor.
Angrenzend an die arabische Welt will das europäisch gesonnene, konfliktreiche Land entkriminalisieren, über 26.000 Menschen erhalten Cannabis als Medizin.

von Uwe

Was kommt in den Sinn, wenn wir an Israel denken? Sicherlich, dass das kleine Land des Mittleren Ostens, am südöstlichen Mittelmeer gelegen, aber umgeben vom Libanon, Syrien, Jordanien, palästinensischen Gebieten und Ägypten, häufig als Teil Europas gesehen wird. Denn überraschenderweise nehmen israelische Sportler an europäischen Wettbewerben teil, singen israelische Künstler beim Eurovision Song Contest. Wohingegen die bestürzende Ratlosigkeit angesichts nahezu täglich übertragener israelisch-palästinensischen Konflikt, um nur einen zu nennen, alle anderen Themen und Entwicklungen nahezu überdeckt. Cannabis und Israel scheinen insofern verknüpft, als sich einige von uns an die vielen Israelis mit dieser merkwürdigen Vorliebe für Chillums erinnern – ganz im Gegensatz zu europäischen Vorlieben – die wir früher auf europäischen Outdoor-Partys oder in Südwestasien trafen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Kriminalisierung soll auslaufen

Ob Chillum oder nicht, Cannabiskonsum bleibt illegal und wird bestraft. Die nationalen Drogengesetze, die ‘Dangerous Drugs Ordinance’ und der ‘Penal Law’ orientieren sich dabei, wie international üblich, an den in der Single Convention aufgeführten gefährlichen Drogen, darunter fällt auch Cannabis. Die Ordinance sieht für die meisten Arten von Vergehen wie Besitz, Handel, Import, Export usw. eine Höchststrafe von 20 Jahren vor – wobei anstelle der zwanzig Jahre auch eine Geldstrafe verhängt werden könnte- lediglich Besitz zum Eigenverbrauch gilt nur als Vergehen und kann mit einer Höchststrafe von lediglich drei Jahren bestraft werden. Über 15 Gramm Cannabis bewertet die Ordinance nicht als persönlichen Gebrauch, sondern Handel und sieht Bestrafung vor.

Geldstrafe statt Kriminalisierung

Unter 15 Gramm galten also bislang als Vergehen, blieben aber strafbewehrt. Zukünftig soll dies nur noch eine Geldbuße, keine Strafe, mehr nach sich ziehen. Wird jemand mit unter 15 Gramm erwischt, setzt es beim ersten und zweiten Mal Geldstrafen – umgerechnet erst 250, dann 500 Euro. Beim dritten Mal drohen erste Maßnahmen wie Führerscheinentzug. Beim vierten Mal droht weiterhin traditionelle Bestrafung. Von diesen unzweifelhaft positiven Entkriminalisierungsschritten abgesehen, bedeuten über 15 Gramm vermutlich ungebrochen Bestrafung, also Maßnahmen wie Zwangsbehandlung oder bis zu 3 Jahre Gefängnis, was je nach Sachlage überdies auf heftige Geldstrafe hinauslaufen könnte – bis zu 50000 € – oder gar bis zu zwanzig Jahre Gefängnis. Oft wird es an den Richtern liegen, ob kleine oder grosse Geldbußen, kurze oder lange Haftstrafen ausgeteilt werden. Unabhängig vom Kabinettsbeschluss im März können die geltenden Bestimmungen der Ordinance im übrigen durch den Gesundheitsminister jederzeit wieder geändert werden. Unklar bleibt, wie sich der Kabinettsbeschluss in der Realität auf die Verfolgung von Konsumenten auswirkt. Denn was die Politik beschließt und wie sich die Polizei tagtäglich verhält, sind zwei Paar Schuhe.

Polizei fand Kriminalisierung toll

Die renitente Polizei im Sinn überrascht, dass Israel faktisch seit langem medizinische Cannabis-Studien auch finanziell staatlich fördert sowie auf Jahrzehnte wissenschaftlichen und unternehmerischen Engagements in diesem Bereich zurückblicken kann. Momentan werden in Israel über 26.000 Patienten mit medizinischem Cannabis behandelt und wie in vielen anderen Ländern wird sich diese Zahl voraussichtlich erhöhen.
Überdies, selbst die USA, wo Cannabis als Droge 1. Klasse reguliert wird und daher Forschung praktisch unmöglich bleibt, haben in Sachen medizinische Cannabisforschung ihre Fühler nach Israel gerichtet, denn es besitzt in dieser Hinsicht unzweifelhaft einen Vorsprung.

Seit 2007 medizinisches Cannabis, anfangs kostenlos

Seit der israelische Gesundheitsminister 2007 neue Bestimmungen erließ, erhielten Patienten Cannabis von lizenzierten gemeinnützigen Unternehmen – kostenlos! Darüber hinaus vergab die Regierung die erste gesetzliche Lizenz für den Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke an Tikun Olam. Ein israelisches Unternehmen, welches heute als eines der weltweit bedeutendsten gilt. Inzwischen, da aus den gemeinnützigen Unternehmen richtige Profit-Unternehmen geworden sind, erhalten die Patienten Cannabis nicht mehr länger kostenlos, sondern für den vergleichsweise geringen Geldbetrag von etwa 90 Euro für 28 Gramm pro Monat – vorher erhielten sie 100 Gramm. Was eine Folge der besseren Effizienz neuer Züchtungen sein könnte. Zum Beispiel solcher Züchtungen mit sehr geringem THC, aber sehr hohem CBD-Gehalt (wie ‚Avidekel‘ mit 1-2% THC und 14,5-16,3% CBD). Andererseits gibt es Züchtungen mit THC über 24%. Insgesamt bauen heute acht lizenzierte Firmen medizinisches Cannabis an, um es anschließend an Apotheken zu liefern. Eine israelische Firma, ein Start-up, ermöglicht mit einem brandneuen Cannabis-Inhalator, eine Art I-Inhaler, präzise Dosen und sogar Remote-Vergabe. Israel verdient eine prominente Anzeige auf dem weltweiten Cannabisradar, nicht bloss wegen der Entkriminalisierungsschritte, sondern weil mehr als 26.000 medizinische Cannabis-Patienten seit gut 10 Jahren von progressiven Entwicklungen profitieren und wer weiß, vielleicht aufgrund laufender und ausgeweiteter Studien demnächst sogar Patienten weltweit.

Pin It on Pinterest

Share This

Share This

Share this post with your friends!