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Was beim Anbau alles blühen kann
Frage:
Ich hatte gerade 80 Stecklinge eingesetzt, als mein Grow-Room aufgeflogen ist. Kann ich jetzt wegen 2 – 3 Kg Cannabisblüten verurteilt werden, obwohl noch gar keine Blüten vorhanden waren?
Antwort:
Ja! Das Gericht kann wegen einer hypothetischen Menge Cannabis verurteilen, die bei einer späteren Ernte zu erwarten gewesen wäre. Damit wird es von einer nicht geringen Menge Cannabis ausgehen, obwohl die gefundenen Stecklinge noch gar kein THC enthalten – wie nachfolgender BGH-Fall zeigt.
Der Fall
Vereinfacht dargestellt geschah Folgendes: Der T. und der P. mieteten im Jahre 2009 eine Wohnung, um darin Cannabis anzubauen und durch den Verkauf ihre finanzielle Lage aufzubessern. Die erste Ernte von 80 Pflanzen brachte ca. 2 Kg Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von ca. 10% ein. Beim zweiten Durchgang gingen die Pflanzen ein. Die Vermieterin erfuhr nun, dass der T. und der P. in der Wohnung eine Indoor-Plantage betrieben. Trotzdem vermietete sie den beiden einige Zeit später noch eine zweite Wohnung, in der die beiden ebenfalls mit dem Anbau von Cannabis anfingen. Im Jahre 2010 konnten T. und P. zweimal erfolgreich ernten, wobei die Ernte in der einen Wohnung jeweils ca. 2 Kg, in der anderen ca. 2,4 Kg einbrachte. Direkt nach der Anpflanzung neuer Stecklinge wurden die beiden Plantagen von der Polizei gefunden.
Das Landgericht Hannover verurteilte den T. und den P. zu jeweils drei Jahren und 11 Monaten Freiheitsstrafe wegen mehrfachen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Die Vermieterin wurde wegen Beihilfe zum Handeltreiben zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt. Das Gericht führte zur Begründung unter anderem aus: Da sie ab Herbst 2009 von der Aufzucht der Cannabispflanzen in der zuerst vermieteten Wohnung erfahren habe, wäre sie als Wohnungsinhaberin dazu verpflichtet gewesen, gegen die Plantage einzuschreiten.
Die Entscheidung des BGH
Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil weitestgehend auf und verwies die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück (BGH 3 StR 407/12 – Urteil vom 20.12.2012). Hier interessant sind folgende Ausführungen, die der BGH in seinem Urteil gemacht hat:
Bei einer Cannabis-Plantage kommt es nicht darauf an, wie viel THC in den Pflanzen bei der Entdeckung vorhanden ist. Es kommt vielmehr darauf an, wie viel THC nach dem normalen Lauf der Dinge in den Pflanzen bei Erntereife zu erwarten gewesen wäre.
Nach dieser hypothetischen Menge ist zu entscheiden, ob eine Verurteilung aufgrund des Handeltreibens mit einer sogenannten nicht geringen Menge an THC erfolgen kann. Beim Handel mit einer nicht geringen Menge liegt die Mindeststrafe gem. § 29a BtMG bei einem Jahr Freiheitsstrafe; Geldstrafe ist nicht mehr vorgesehen. Eine nicht geringe Menge liegt vor, wenn mindestens 7,5 Gramm THC vorhanden sind, wozu grundsätzlich der Wirkstoffgehalt durch Laboruntersuchung festgestellt werden muss. Werden die Pflanzen jedoch noch vor der Blüte gefunden, ist aber fast kein THC vorhanden. Darauf kann sich der erwischte Hanfgärtner aber nicht berufen. Die THC-Menge wird zu seinen Lasten hypothetisch hochgerechnet. Dies gilt selbst dann, wenn es im weiteren Verlauf zu einer Missernte gekommen ist. Auch dann ist auf die Menge THC abzustellen, auf die die Aufzucht des Täters gerichtet war. Auch wenn alle Pflanzen eingegangen sind, kann das als Handel mit nicht geringer Menge bestraft werden. Begründet wird dies damit, dass es beim Handeltreiben nicht auf einen erfolgreichen Verkauf von Betäubungsmitteln ankommt, sondern lediglich auf ein Verhalten des Täters ankommt, das auf einen Verkauf gerichtet ist.
Interessant ist auch, dass der BGH eindeutig festgehalten hat: Ein Vermieter, der nach dem Abschluss des Mietvertrages vom Anbau von Cannabis in seiner Wohnung erfährt, muss nicht dagegen einschreiten. Er macht sich nicht strafbar, wenn er die Räume einfach weiter vermietet.
Hinweise aus der Praxis
Die Rechtsprechung weitet mit der hypothetischen Ernte-Berechnung die Strafbarkeit des Anbaus weiter aus – ein Phänomen, das wir schon seit langem beobachten können. In solchen Fällen muss daher sehr sorgfältig geschaut werden, wie gegen eine hypothetische Berechnung wirksam verteidigt werden kann.
Für Vermieter muss darauf hingewiesen werden, dass zwar keine Pflicht zum Einschreiten gegen eine Cannabisauszucht besteht, wenn erst nach Vertragsschluss dem Vermieter der Anbau bekannt wird. Weiß der Vermieter bereits vor Abschluss des Mietvertrages, dass der Mieter in den Räumen Cannabis anbauen will, wird man das aber durchaus als strafbare Beihilfe zum Anbau bzw. Handel werten. Zudem kann durch Entgegennahme der Miete einer strafbaren Geldwäschehandlung (§261 Abs. 2 StGB) verwirklicht werden, insbesondere wenn die Miete bar und in „szenetypischer Stückelung“ bezahlt wird.