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Heutzutage legen immer mehr DJs nicht mehr mit CD oder gar Vinyl auf, sondern schleppen ihren Controller mit und mixen mit Hilfe des Sync Buttons und den Möglichkeiten der DJ Software. Ist Digital DJing eine Erweiterung der kreativen Möglichkeiten oder sind Digital DJs einfach keine richtigen DJs mehr?

Sind Digital-DJs die besseren DJs? Wir fragen mehrere DJs nach dem Pro und Cons des digitalen Mixings.

DJoanna (Waldfrieden)

Djoanna PortraitEs kommt total drauf an, wie ein „Laptop-DJ“ seine Möglichkeiten nutzt, denn die wichtigste Frage ist doch: Was ist das Ergebnis? Von einem Lap-Top DJ erwarte ich einen kreativen, sauberen Output. Dabei ist es allerdings auch wichtig, das richtige Maß zu finden. Zu viele Loops, Effekte, Tracks übereinander etc. können schnell die Dynamik eines Tracks und auch eines Sets zerstören. Wenn man es allerdings genau nimmt, ist inzwischen der Unterschied zwischen Lap-Top und CD/USB-DJ gar nicht mehr so groß. Neue NXS CD/USB-Player haben auch eine Sync Taste, Loopfunktion und wenn ich mit Recordbox (Programm zum Stücke analysieren und sortieren) arbeite, kann ich mir auch hier Hot-Cues setzen und habe eine sehr genaue Waveform im Player. Was einen DJ ausmacht, ist das Auskennen in der Musik und das Gefühl dafür, wie welcher Track wirkt und vor allem, wann ich ihn wo und wie einsetze. Allerdings birgt ein Lap-Top die höhere technische Fehlerquelle, vor allem dann, wenn die Qualität des Laptop oder der Soundkarte nicht ausreicht. CDs und USBs sind in der Hinsicht die sicherere Variante.

Dense (Chillgressive Tunes)

DenseAn die abschätzigen Blicke in einem Dortmunder Plattenladen Mitte der 90er kann ich mich noch gut erinnern, als ich nach einer CD-Version eines U.S. House Imports gefragt habe. Als einer der ersten DJs, die konsequent auf CD umgeschwenkt sind, kenne ich die Skepsis gegenüber neuen Techniken. Zugegeben, ich war beim Auftauchen der Laptop-DJs auch recht argwöhnisch. Seit etwa zwei Jahren lege ich allerdings selbst nur noch mit Laptop auf. Die Schlepperei bei kombinierten Live/DJ-Sets war mir ehrlich gesagt zuviel. Dank Sync-Button kann man sich auf andere Dinge konzentrieren. Ein simpler Knopf allein zaubert eh noch kein gutes Set. Wenn ich mich umschaue, sehe ich Acts mit dem unterschiedlichsten Equipment. Ob es nun darum geht, quasi live Remixe zu erstellen oder so wie ich es manchmal mache, virtuelle Instrumente live dazu zu spielen – wir sind im 21. Jahrhundert – und einige schlaue Köpfe haben hilfreiche Technik gebastelt, lasst sie uns nutzen.



Daksinamurti (Germany, Sangoma Rec.)

DaksinamurtiNicht, dass wir andere Probleme hätten in dieser Welt. Ich persönlich habe nie darauf geachtet, ob jemand den Sync Button braucht oder nicht. Es ist nicht meine Pflicht Sheriff zu sein, aber ich achte auf Qualität und glaube, dass 2016 MP3s auf einer Party oder einem Festival nichts zu suchen haben. Ich verstehe nicht wirklich, warum Labels gutes Geld für einen Quality Master bezahlen, obwohl die Leute sich nicht drum kümmern, die Qualität wieder drücken und sich sogar trauen, das zu spielen; dasselbe gilt für unveröffentlichte doch ungemasterte Tracks. Ich finde es ärgerlich, wenn DJs schiffsgrosse Controller auf Parties bringen und meinen Trance stören, indem sie Kilometer an Kabeln verlegen. Heutzutage sehe ich mehr und mehr DJs, die zu USB Sticks wechseln. Am Ende des Tages zählt das Resultat und wenn das Mahl schmeckt wird keiner fragen, wie es gemacht wurde. Ich persönlich bevorzuge CDs und der beste Platz für mein Laptop ist mein Zuhause Also ja, ich glaube digital DJs haben ein Recht zu koexistieren, wenn es richtig und mit Liebe für Musik und Respekt für die Zuhörer gemacht ist.


Boom Shankar (Germany, BMSS Records)

Boom Shankar by Karim Ben„Ich bin gerne fokussiert, ich mag die kleinen Makel und Fehler, die Menschen machen. Wir sind nicht perfekte menschliche Wesen. Den Sync Button zu nutzen, schneidet mich von der Musik und den Leuten ab, wahrscheinlich weil ich den Tracks nicht folgen muss. Also ist die aufkommende Frage ist, wieviel von einem Menschen mit all seinen Makeln und Fehlern ist notwendig, um Djing als Kunstform zu begreifen? Wir müssen uns fragen, wieviel Autonomie wir aufgeben wollen für die Präzision. Ich habe die Zauberer des Turntablism wie Mix Master Mike und andere Hip Hop DJs stets bewundert. Diese Typen benutzen die Plattendecks wie echte Instrumente. Im Vergleich zu unserer Sync Button Debatte, ist Turntablism eine Klasse für sich.
Meine Meinung nach, falls wir DJing als Live-Kunst begreifen, dann ist das menschliche Element wesentlich. Auf der anderen Seite geben wir unsere Autonomie auf, wenn wir die Maschine übernehmen lassen. Computer können bereits alleine makellos mixen, also warum benötigen wir überhaupt noch Menschen? Um unsere Hände zu heben und eine Show abzuziehen, während die Musik läuft? Dieser Weg führt dahin, den Menschen, dich als DJ überflüssig zu machen…wollen wir das wirklich?“



Mat Mushroom (Germany, mushroom magazine)

Mat Mushroom in ActionIn den letzten 20 Jahren haben wir vom Switch „Vinyl auf CD“ und „CD auf Controller“ gleich zwei technologische Revolutionen durchgemacht. Und immer gab es die DJs, die sich erst eingeredet haben, Vinyl klingt besser, um dann nach dem Switch auf CD das Unterbewusstsein so zu konditionieren, dass sie das Auflegen mit Controller auf den Sync Button herunterbrechen. Klar gibt‘s den, aber man verwendet den Controller ja auch nicht wie einen CD-Player, sondern man hat auf einmal ein Vielfaches an Möglichkeiten, mit denen man erst einmal klar kommen muss. Das Auflegen mit CD war mir irgendwann beinahe langweilig geworden, denn was macht der DJ denn so? Er wählt für die Tanzmeute und die jeweilige Zeit und Situation die passenden Tracks aus und kreiert Übergänge zum nächsten Track und so weiter… Jedoch ist man in der Komposition gefangen und das merkt man ganz besonders bei Breaks. Zu viele Flächenpausen hintereinander killen irgendwann einfach die Energie, besonders wenn es kein sonnengeschwängertes Sonntagnachmittags-Set ist, wo es dann auch mal ein Break mehr sein kann. Ich lege nun mittlerweile seit über 10 Jahren mit TRAKTOR und Controller auf und möchte die Möglichkeit nicht mehr missen, die Musik nicht nur aufzulegen, sondern in die Stücke eingreifen zu können, so dass etwas Neues entstehen kann, statt einfach nur Track für Track hintereinander zu mixen. Das Killer-Feature ist für mich „Beatjump“ bzw. „Move“. Hiermit kann ich mich innerhalb des Stückes vor und zurück bewegen, Loops wiederholen oder Breaks überspringen. So lasse ich zum Beispiel häufig Flächen oder Drumloops eines Stückes Beatjump-gesteuert weiterlaufen, um dem neu hineingemixten Stück einen Remixflair zu geben. Mit anderen Funktionen und speziellen TRAKTOR-Effekten kann ich die Bassline grooven lassen oder z.B. mit dem Gater-Effekt Spannung auch in langatmigen Breaks erzeugen. Seitdem ich mit TRAKTOR und Controller auflege, kann ich viel tiefer in die Musik eintauchen und den Mix dadurch einzigartig werden lassen. Ich denke ein großer Teil der Ablehnung vieler DJs gegenüber dem Auflegen mit Laptop & Controller ist einfach das Nichtwissen über die Möglichkeiten und den daraus resultierenden Spaß. Aber Menschen sind halt Gewohnheitstiere…



Kai Mathesdorf (South Africa, Vortex)

Kai MathesdorfAuflegen kann heute technisch jeder, der ein Telefon und einen Controller hat; ein guter DJ besticht also mehr denn je durch seine Trackauswahl. Zu digitaler Musik passt selbstverständlich auch digitales Auflegen. Was mir persönlich dabei jedoch fehlt, ist der tatsächliche „Live“-faktor und die Authentizität des Moments. Oldschool muss den Cue-Punkt jedes Mal neu festlegen und entscheidet sich dazu live spontan nach Situation, man kann viel schneller auf das Publikum reagieren, man ändert bewusster Geschwindigkeiten, man baut Sets spontan und nicht nach zuhause und zuvor kreierten, abgespeicherten und wiederholbaren Tracklists. Analog/CD ist mehr spontan, authentisch, witzig, manchmal nicht fehlerfrei, aber charmant. Es sind so viele Parameter entscheidend, die Kommunikation mit der Crowd, die Stimmung des DJs, ein Moment der Ablenkung, noch schnell ein anderer Track.. etc…. , darauf geht man mehr ein, wenn man keine Tracklist auf dem Rechner hat. Ich mag auch keine DJs, die eine dreiviertel Stunde ihr Set-Up während des Vorgigs verkabeln und die Energie des aktuell spielenden DJs absaugen. Ich schätze an analogen Medien zudem, dass es keinen Record Button gibt, um Soundcloud mit mittelmässigen Mixen zu überschwemmen. DJ Musik entsteht im Moment mit den Tanzenden. CDs sind fein, knistern nicht und sind billig. Ich liebe sie.



…Aber…Wie funktioniert digitales DJing?

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