Nachdem Christianias Pusher-Street Geschichte ist und einige Dänen medizinisches Cannabis erhalten, könnte Kopenhagens vierter Versuch zum legalen Cannabisverkauf klappen
von Uwe Scholz
Kein legaler Cannabisverkauf mehr
Wenn es um Dänemark geht, denken wir an den dortigen sehr hohen Lebensstandard. In den Sinn kommen uns der gelobte Schutz bürgerlicher Freiheiten, Wohlstand und ein hohes Maß menschlicher Entwicklung. Viele denken an Kopenhagens üblichen touristischen Hot-Spot, die kleine Meerjungfer und manche speziell an den alternativen Hot-Spot Christiania. Weil in diesem populären bunten Hippie-Hotspot Christiania mitten in Kopenhagen entgegen des nationalen Rechts der öffentliche Konsum und Verkauf von Cannabis lange geduldet wurde – aber jetzt nicht mehr.
Kopenhagen versucht‘s nochmal mit legalem Cannabisverkauf
Im Dezember des vergangenen Jahres startete die Stadtregierung von Kopenhagen den vierten Anlauf zur Cannabislegalisierung, den die dänische Regierung wohl erneut nicht billigen wird. Vorgesehen sind eine versuchsweise Legalisierung, Läden in bestimmten Bezirken der Stadt und Verkauf ausschließlich unter Kontrolle der Stadt. Die Stadt will damit die bewaffneten Zusammenstöße in der Stadt beenden, die mit rivalisierenden Banden in Zusammenhang stehen sollen. Allerdings haben sie das eben schon dreimal erfolglos versucht.
Zerstörung der Stände in der Pusher Street
Dieser neue Versuch mag als Folge des Endes des Cannabisverkaufs in der Pusher Street in Christiana angesehen werden. Dort wurden der öffentliche Konsum und Verkauf von Cannabis entgegen des dänischen Gesetzes über Jahrzehnte geduldet. Aber dieses Mal könnte das Ende ein endgültiges sein. Denn dieses Mal wurden die Stände von den Bewohnern nach einem Schusswechsel im September selbst abgerissen. Vielleicht war dieser Vorfall der letzte Tropfen für die Öffentlichkeit, die Behörden und die Bewohner.
Freetown Christiania
Die Freetown Christiania existiert seit 1971. Die berüchtigte Pusher Street trat kurz darauf mit Ständen für Marihuana und Dope in Erscheinung und hielt sich über viele Jahre. Tatsächlich wurde die Pusher Street – wie die kleine Meerjungfer im Hafen – zu dem anderen Symbol Kopenhagens, obwohl weder Stadtbeamte noch touristische Broschüren dies sonderlich bewarben. Aber was als Cannabisverkauf im kleiner Maßstab begann, wurde, da sehr lukrativ, rasch von Banden übernommen.
Verändert die dänische Regierungihre Position?
Nach 2011 lehnte die nationale Regierung diesen Vorstoß über Christianias Schubstraße noch zweimal ab. Jetzt, da die Pusher Street ihre letzten Tage gesehen haben könnte – obwohl: wer weiß – könnte dieser neue Versuch hin zu einem realistischeren und vielleicht kompatibleren Umgang mit Cannabis, obwohl vormals immer vergeblich, erfolgreich sein.
Cannabis als Medizin im kleinen Maßstab gestattet
Optimisten weisen darauf hin, dass die nationale Regierung im vergangenen November eine vierjährige Studie mit einer kleinen Zahl von Patienten, die ab 2018 mit medizinischem Cannabis behandelt werden genehmigte. Einerseits ist Dänemark damit spät dran, viele Länder, einschließlich Israel und Deutschland wie Dutzende von Staaten in den USA sind schon früher drauf gekommen, andererseits könnte dies als Versuch mehr Vernunft in die politischen Debatte zu bringen und somit als hoffnungsvolles Zeichen interpretiert werden. Ferner war 2011 die Behandlung von Multipler Sklerose mit Sativex genehmigt und bereits seit 2004 Marinol und Nabilon verschrieben worden. 3000 Patienten haben davon profitiert.
Blühende Landschaften in Dänemark?
Darüber hinaus zeigten jüngste Umfragen die überwältigende Unterstützung von 88 % der dänischen Bevölkerung für die medizinische Verwendung von Cannabis, während nur etwa 50 % den Freizeitkonsum unterstützen. In Kopenhagen mag die Unterstützung viel höher ausfallen so wie in vielen urbanen Zentren weltweit. Es ist eben in Kopenhagen, wo der politische Druck im Sinne einer Veränderung bezüglich Cannabis stetig zunimmt. Ähnlichen Druck sehen wir in anderen europäischen Städten, wie z. B. Berlin oder Barcelona, die ebenfalls als kulturelle Zentren gelten. In diese kulturellen Zentren kommen zehntausende junge Menschen aus der ganzen Welt auf Besuchen, um zu feiern und um zu bleiben. Cannabis ist integraler Bestandteil des Lebens dieser Menschen, und wer junge Menschen, ihre kulturelle und künstlerische Inspiration will, muss mehr bieten als bloss Realitätsverweigerung und Beratungsresistenz. Vielleicht könnte sich die Pusher Straße wie in Hans Christian Andersens Märchen ‚Die kleine Meerjungfer‘ von 1837, statt aufzulösen, wirklich in mehrere legale öffentlich geführte Geschäfte verwandeln, weil Kopenhagen es, wie die Meerjungfer, mit ganzem Herzen anstrebte.