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Psytrance

25 years

Wie Psytrance sich von Progressive trennte, einen schnellen Generationskonflikt durchlief und sich in Teilen letztendlich wieder mit Progressive vertrug.

Im letzten Teil unserer Geschichtsstunde über die musikalische Entwicklung der Szene soll es um ein Genre gehen, das bis heute ihr Namenspate ist: Psytrance. Dazu haben wir uns zwei weitgereiste Veteranen als Referenten eingeladen, nämlich die beiden DJs Boom Shankar und Daksinamurti.

Boom Shankar liebt und lebt Psychedelic Trance schon seit den frühen 90ern. Als DJ hat er in den vergangenen 20 Jahren alle 5 Kontinente bereist und mit seiner Musik zu vielen geschichtsträchtigen Partys und Festivals beigetragen. Er ist außerdem der Betreiber von BMSS Records und u.a. in die Organisation des SUN Festivals in Ungarn und die Alice im Wummerland Partys in Deutschland involviert.

Daksinamurti hat die Magie von Goa Trance in den späten 90ern an den Stränden von Indien entdeckt. Seit 2000 hat er seine dynamische, in ständigem Wandel befindliche Psychedelic Trance Formel auf zahllosen Festivals und Partys überall auf der Welt präsentiert. Seine Liebe für Vielfalt, mystische Themen und Schamanismus findet außerdem in seinem Label Sangoma Records Ausdruck. Seit 2013 veröffentlicht er unter seinem eigenen Namen und als Teil von Android Spirit.

Um 2000 herum grenzten sich Psytrance und Progressive ziemlich schnell ziemlich deutlich voneinander ab. Wie erinnert ihr euch an diese Zeit?

Boom Shankar: Die Jahrtausendwende war wirklich eine interessante und auch ausschlaggebende Zeit für unsere Szene, da aus Goa Trance sich langsam neben Progressive Trance auch Psytrance und dann Full On entwickelte. Meiner Meinung nach war das Album “Midnight Sun” von Alien Project schon fast prophetisch, was diese Weiterentwicklung betraf. Darauf war zum ersten Mal ein gewisser Avi Smhailov (Astrix) zusammen mit Ari Linker in 5 der 9 Tracks als Co-Produzent vertreten und die Platte, die auf Phonokol rauskam, wurde vor allem in Asien auf jeder Party rauf und runter gespielt. Zur gleichen Zeit releasten auch GMS auf Spirit Zone ihren Meilenstein “No Rules”, der eine krasse Weiterentwicklung ihres vorangegangenen Albums “Chaos Laboratory” darstellte, was definitiv noch dem Genre Goa Trance zugehörig war und auch unter dem Namen “Growling Mad Scientists” rauskam. GMS wagten dann aber den Blick “full on” nach vorn, was zu einem weiteren Zulauf innerhalb unserer Szene führte.

Weitere Artists und Tracks, die meiner Meinung nach zu der Zeit wegweisend waren, sind Deedrah mit “Reload”, das Debütalbum von Parasense (damals noch zusammen mit Zolod) mit dem Namen “Apple” was auf Acidance rauskam und Talamasca’s Debütalbum “Beyond the Mask” (3D Vision). Aber auch das israelische Label HOMmega, welches von Eyal Yankovich gegründet wurde (RIP) und sogar schon 1997 eine VA unter dem Namen “Full On” rausbrachte. Dieses Label war für viele Meilensteine damals verantwortlich (Psysex – Hardcore Blastoff – 2001 / Hujaboy – Hujajoy – 2002 / das Debütalbum (wenn man seine ravige Vergangenheit außer Acht lässt) von Astrix – Eye to Eye (2002).

Daksinamurti: Dem habe ich nicht mehr wirklich was hinzuzufügen, bis auf die Phänomene Skazi und Infected Mushroom – was ich mal so unkommentiert im Raum stehen lasse.

art1Der Sound, von dem ihr da sprecht, war sehr verschieden von dem, was damals unter Progressive Trance lief. Hat das auch zu einer Teilung der Partys und Festivals geführt?

Boom Shankar: Mir fiel vor allem in der Schweiz auf, wie sich die Psytrance-Szene teilte. In diesen Jahren gab es wenige Partys, die noch den kompletten musikalischen Bogen spannten, weit mehr waren entweder “Proggi” oder “Psy”. Das erste Mal, dass es zu so einer “Teilung” bzw. Fragmentierung unser bis dato einigen Szene kam.

Daksinamurti: Dass mit der Teilung kann ich so bestätigen. Sie geht noch weiter und vermischt sich gerade mit der Ästhetik von EDM (wenn es eine solche überhaupt gibt), wo der Künstler die Rolle des Animateurs und nicht des Geschichtenerzählers einnimmt. Die Rolle des DJs an sich wurde in den letzten Jahren so verwässert, dass man sich fast schämen muss diesen Begriff noch zu verwenden. Es kommt mir so vor, dass es einige Artists in der Szene gibt, die nur auf schnellen Fame aus sind, ohne sich diesen musikalisch erarbeitet zu haben.

art2Das wird gerne auch als “Kommerzialisierung” beschrieben. Womöglich als Antwort darauf entstand ein neues Sub-Genre der Psytrance Ecke. Sehr schnell, sehr intensiv, radikal. Definitiv nicht für jeden. Dark Psy lautet das Stichwort, und auch die verwandten Genres Forest und Hi-Tech sollten erwähnt werden. Was hatte es damit auf sich?

Daksinamurti: Eine Frage, die den Rahmen sprengt… No light without darkness – wie es so schön heißt! Vorweg: ich sehe mich selber auch als Künstler, der als DJ sowie als Labelmanager mit Sangoma Records, starke Berührungspunkte mit diesem Genre hat und bitte daher eventuelle Kritik konstruktiv aufzunehmen, um die Qualität zu steigern. Zudem möchte ich auf den Begriff „Darkpsy“, der Anfang der 2000er Jahre in Gebrauch kam, verzichten, weil er zu vorurteils- und klischeebehaftet ist. Ich selber empfinde diese Musik nicht zwangsweise als düster, sondern eher als deep. Auch finde ich die Zuordnung als Nachtmusik nicht unbedingt passend. Man kann auch tagsüber viel Spaß haben damit.

Sicher sind unter den Hörern einige dabei, die es gerne extrem und schnell mögen, was vielleicht in manchen Fällen auf eine gewisse Jugendlichkeit zurückzuführen ist. Aber an sich sammeln sich hier auch Leute, die schon seit Jahrzehnten in der Szene sind und ein starkes Bedürfnis nach was „Echtem“ haben. Hier trifft sich auch die selbsternannte „Authentizität der Szene“, die sich oft, beinahe militant, abgrenzt von bestimmten „kommerziellen“ Subgenres. Hier trifft man auf Künstler, denen Beatport Charts und Likes so ziemlich am A… vorbei gehen. Jedoch kann dieses auch schnell zu Engstirnigkeit und Arroganz führen, wenn man alles mit Scheuklappen wahrnimmt. Schnelligkeit und Lautstärke sind für mich kein Kriterium für gute Musik. Auch qualitativ sammeln sich hier Talente verschiedenster Facetten. Leider wird oft der „Underground“ Begriff missbraucht für schlechte Qualität. Am Anfang wurden die Musiker dieser Genres belächelt und ins Abseits gestellt – heute wollen kaum Festivals auf solche Künstler verzichten. Die obligatorischen Unkenrufe nach einem „Darkfloor“ haben wohl schon Gehör gefunden, aber ich habe oftmals das Gefühl, dass oft eher finanzielle Interessen dahinter stecken und diese Floors und Künstler noch immer wie ein Stiefkind behandelt werden. Meist entspricht das Budget für das gesamte Lineup soviel wie ein oder zwei Headliner des Mainfloors. Eine weitere Beobachtung ist, dass viele Künstler und Labels, besonders im Hitek Bereich, untereinander stark zerstritten sind und man sich selber im Weg steht statt gemeinsam mehr zu erreichen. Viele Versuche eigenständige Genre-Festivals zu veranstalten sind unter anderem auch am Größenwahn, Behörden sowie am fehlenden Support der Hörer gescheitert. Hervorzuheben, vor allem im Forest Bereich, ist das stilprägende Label Parvati Records, was auch schon bald 20 Jahre konstant
großartige Arbeit leistet und sich im positiven Sinne stetig weiter entwickelt.

Boom Shankar: Wenn man sich die Entwicklung und Differenzierung der letzten zwei Jahrzehnte innerhalb der Psytrance Szene vor Augen führt, dann kommt man zwangsläufig zu einer Erkenntnis, die ich mit Daksi teile: Dass eben eine weitere Aufspaltung in Subgenres stattfindet, konträr dem ursprünglichem und dennoch weiterhin stark idealisierten Motto beziehungsweise der Philosophie des “We are One”.

Wenn ich an die Ursprünge unserer damals noch als Goa bezeichneten Szene zurückdenke, so macht es mich fast traurig oder zumindest nachdenklich, dass wir diese Ideale und diese Wahrnehmung des “Einsseins” nur noch als Dekoration verwenden, diese Vielfalt aber nicht mehr unter einem Dach bzw. einem Sternenhimmel ausleben können. Der Ursprungsgedanke war ja gerade ein Synonym für die Vielfalt der Teilnehmer: ein bunter Haufen unterschiedlichster Persönlichkeiten mit der kompletten Bandbreite an sozialen und gesellschaftlichen Hintergründen.

Das spiegelte sich auch in der Musik und der Kunst im Allgemeinen wieder: Auf den Partys der frühen Neunziger Jahren war einfach alles “Goa”, was dort von den DJs gespielt wurde. Das komplette BPM Spektrum war vertreten, von 120 bis 160, eine weitere Kategorisierung und “Schubladisierung” war einfach nicht vorhanden. Diese Freiheit, Musik und auch Kunst ohne die typischen Klassifizierungen wahrzunehmen, zu erleben und auszuleben war einer der Hauptmerkmale unserer Szene, die sich dadurch auch von anderen, schon weiter kommerzialisierten Genres abgrenzen konnte. Diese Besonderheit (die auch schon vorher z.B. bei Techno gegeben war) ging dann in den frühen Jahren des 21 Jahrhunderts spürbar verloren und fand ihre Manifestation in der immer weiter ausufernden “Subgenrisierung”, die dann eben zu Schubladen wie Dark, Hi-Tech, Forest, oder davor schon Psytrance, Full On und Progressive Trance führte.

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Meiner eigenen (kontroversen) Meinung nach kann man bei Hi-Tech und allem was darauf folgte (ich hab da mittlerweile den Überblick verloren) auch von einem klassischen Generationskonflikt sprechen: In den frühen und mittleren 2000ern war es ja schon die zweite Trancer-Generation, die Teil der community waren. Hier darf man die gesellschaftliche Komponente nicht außer Acht lassen, dass sich (platt ausgedrückt) die Jugend natürlich von den Älteren gerade im Bereich der Musik distanzieren und abgrenzen will und auch muss, um ihre eigene Identität zu finden und auszuleben.

In den Augen bzw. Ohren der Kids war das, was unter dem Begriff Psytrance lief, nicht mehr “underground” sondern schon Kommerz und Ausverkauf wie bei allen anderen vorhergegangenen elektronischen Genres auch – die logische Konsequenz: Music for the (second) jilted generation. Also schneller, härter, krasser, cooler, you name it… Hi-Tech here we go! Dass dabei oftmals die Qualität und auch Originalität auf der Strecke blieb, ist leider ein fader Beigeschmack, wenn man wirklich glaubt, dass Schnelligkeit mit der Intensität der psychedelischen Erfahrung eine Symbiose eingeht, getreu dem Motto: Je schneller und krasser, umso psychedelischer. Ich sehe das differenzierter…

Interessant ist auch, diese Entwicklung in Zusammenhang mit dem typischen Konsumverhalten zu betrachten. Während in den 90ern LSD und Pilze eindeutig die typischen Reisebegleiter darstellten, so traten dann vor allem Ketamin, Speed und GHB in das Zentrum der Szene. Ausnahmen, wie die beiden Gatherings denen ich damals beiwohnen konnte und die (ich glaube 2001 und 2003) von Crystal Head Tribe in der Schweiz organisiert wurden und Albert Hofmanns Entdeckung des “sacred Eleusian brew” zelebrierten, und auf denen ein gewisser Goa Gil (2001 zusammen mit Nina Hagen im Intro!) 18 Stunden lang spielte, gab es damals auch. Aber es war eben schon abzusehen, dass der Fokus bzw. der Trend im Wandel war.

In Bezug auf den musikalischen Output waren allerdings die ersten 2000er Jahre eine Bereicherung, da viel experimentiert wurde und es auch Artists gab, die auf hohem Niveau innerhalb der Dark / Nighttime Schublade produzierten. Penta und sein Label Auraquake sind ein perfektes Beispiel dafür. Dunkel, deep, schnell, intensiv, aber eben bezüglich der BPM immer noch tanzbar, auch ohne Zuhilfenahme von bewusstseinsverändernden oder aufputschenden Substanzen. Russische Produzenten wurden in diesen Jahren zu einem Garant für intensiven Sound und zu Koryphäen innerhalb des Subgenres, allen voran Parasense, CPC, Fungus Funk, Psykovsky und natürlich auch Kindzadza. Der Letztgenannte ist ein perfektes Beispiel für die Entwicklung hin zu immer schnellerem und und intensiverem Sound. Bildete sein erstes Album noch eine Bandbreite von 145 -149 BPM ab, so kann man das heute zum Teil mit dem Faktor 2 multiplizieren, und meiner Meinung nach hat sich der psychedelische Charakter dabei eher halbiert als verdoppelt, aber das ist meine subjektive Meinung und manch anderer wird mir da mit Sicherheit vehement widersprechen – isn’t it great to live in a democracy?!

Neben den russischen Labels wie Deja Vu Records oder Osom Music kam es auch zu einer internationalen Ausbreitung und Vermehrung innerhalb der auf Nighttime ausgerichteten Label Landschaft. Wegweisende Labels waren meiner Meinung nach Doof Records in Israel (Zirkin, Bonky, Double REL), Digital Psionics in Australien (Dark Nebula, Scatterbrain, Kluster), Acidance aus Griechenland (Digital Talk, Neuromotor), Parvati in Dänemark (Azax Syndrom, Droidsect, Jahbo) oder auch Peak Records in der Schweiz mit Künstlern wie Ajja, Psyberpunk oder auch einem der vielschichtigsten Produzenten unserer Szene, Electrypnose, der meiner Meinung nach das perfekte Beispiel für weiterhin gelebten Facettenreichtum und Widerstand gegenüber jeglicher Kategorisierung darstellt.

Interessante Auswüchse stellte auch der sogenannte Twilight Sound dar, der um das Jahr 2004 vor allem durch die südafrikanischen Labels Nexus Media und Timecode gepusht wurde und Künstlern wie Shift, Pitchhikers oder Artifact zum Erfolg verhalf. Auch Yabai Records aus Japan, 3D Vision aus Frankreich, Discovalley Records oder Manic Dragon aus Hong Kong waren bei der Entwicklung dieses Subgenres federführend. Fragwürdige Auswüchse, die auch zu einer weiteren Kommerzialisierung und Vermarktung der gesamten Szene führten, waren die Vermischung von “Psytrance” oder auch Twilight mit Heavy Metal und Pop. Das beste Beispiel dafür war Skazi mit seiner Chemical Crew. Die waren auch laut und schnell, aber ich gehe mal davon aus, dass bei dieser Aussage sogar die Hi-Tech Jünger mit mir einer Meinung sind, dass hier Schnelligkeit und Loudness nicht wirklich zu mehr psychedelischem Charakter geführt haben…

art3Seit einigen Jahren wird der Oberbegriff Psytrance ja von immer mehr Künstlern verwendet, die historisch der Progressive Ecke zugeordnet wurden. Ace Ventura ist wohl einer der bekanntesten Namen, die schon seit Jahren “Psychedelic Progressive Trance” machen. Labels wie Blue Tunes veröffentlichen Sachen, die mit ihren rollenden Basslines relativ nah am Full On von vor 10 Jahren sind. Wie seht ihr das?

Daksinamurti: Ja, es gibt Überschneidungen und es scheint auch gut zu funktionieren – Ich denke vor allem Yoni hat da eine gute Mischung gefunden mit Ace Ventura und auch mit Alpha Portal (mit Astrix). Zudem gibt es auch im forestigem Bereich starke Annäherungen mit zenonesquen Dark Progressive Sounds. Oft haben Producer ein Psychedelic sowie Progressive Projekt und fahren zweigleisig.

Boom Shankar: Ich denke, dass diese Rückbesinnung der Progressive Trance Artists auf die Ursprünge des Psytrance damit zusammenhängt, dass der klischeehafte und tausendfach gehörte Sound einfach ausgelutscht ist. Vor allem die letzten Jahre, in denen Progressive immer weniger psychedelische Elemente und auch immer weniger Trance beinhaltet, dafür aber mehr Gesang, mehr Breaks und Drops als Musik dazwischen (gerade der typische Off Beat ist da ein gutes Beispiel), hat zu einer Tendenz der extremen Kommerzialisierung geführt. Einige Artists haben den Sprung in den populären Trance geschafft (siehe Vini Vici) und diese Szene auch gleich im Sturm erobert, was natürlich mit einem anderen Publikum und einer anderen Feierkultur einhergeht. Andere, wie der erwähnte Ace Ventura besinnen sich eher auf ihre Ursprünge (siehe Psysex) zurück, und haben ein neues Projekt gegründet (Alpha Portal zusammen mit Avi), in denen sie sich besser musikalisch verwirklichen oder ausdrücken können. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass jeder Trend irgendwann langweilig wird und man als Künstler neue Wege beschreiten muss – da das mit einem etablierten Namen schwierig ist, ist die logische Konsequenz entweder dezent den Sound step by step anzupassen oder eben ein neues Projekt zu starten. Interessant ist noch zu erwähnen, das Yoni ja ein begeisterter Fan von euch ist, Daksi – ich warte noch auf Forest aus dem Hause Oshrat… 🙂

Dieser holistische Ansatz, die Schubladen bzw. Subgenres wieder zu einem werden zu lassen, vertreten wir mit unserem Label BMSS Records – was sich ja in unserem Namen widerspiegelt: Bruder Mond Schwester Sonne, also die vereinte Dualität. Diese Reduzierung auf nur einen speziellen Style hat mich nie wirklich überzeugt, gerade da es ja im gesamten Spektrum unserer Szene Artists gibt, die eine kreative Bereicherung für das Ganze darstellen, und denen möchten wir mit dem Label auch eine Plattform bieten, egal ob der Output jetzt als Progressive oder Pytrance oder Full On klassifiziert wird! Als Beispiel dafür kann ich die back to back Sets erwähnen, die Daksi und ich öfters spielen und in denen wir es schaffen, unsere Styles zu vereinen.

art4Abschließend: Ein kurzer Kommentar zum aktuellen Stand der Szene. Was ist gerade spannend, was ist vielversprechend?

Boom Shankar: Faszinierend ist meiner Meinung nach, wie international unsere Szene mittlerweile geworden ist und in welchen Ländern Psytrance mittlerweile Einzug gehalten hat. Als Beispiel dafür sind das chinesische Label Goa Productions und das Spirit Tribe Festival in Yunnan zu erwähnen. Auch in Ländern wie dem Libanon (Analog), Malaysia (Epic Tribe) oder den Vereinigten Arabischen Emiraten, die sonst nicht wirklich für eine offene und liberale Gesellschaft bzw. Politik bekannt sind, hat sich unsere Szene ausgebreitet. Das kann auch einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft im Allgemeinen haben – zumindest ist das meine Hoffnung!

Des Weiteren würde ich mir wünschen, wenn wir uns mehr zu Plattformen wie Bandcamp als Alternative zu den major shops zuwenden könnten. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Preise können von den Künstlern / Labels selber festgelegt werden und sie bekommen einen fairen Anteil an den Umsätzen (im Vergleich zu Beatport ist das Verhältnis nahezu das Gegenteil), die Tracks kann man sich komplett und auch mehrfach anhören und gerade bei Bandcamp ist auch eine community vorhanden. Wenn man bedenkt, dass Beatport nur Erfolg wegen der Charts hat, die nur dazu dienen, den Thron major players zu festigen und zu legitimieren, dann fragt man sich, warum wir alle dieses Spiel einer szene-fremden und nur auf Umsatz beschränkten Firma mitspielen? Stolz, Eitelkeit und auch “Klassendenken” sind da meiner Meinung nach die Hauptgründe, und diese Charaktereigenschaften stehen ja eigentlich in direkter Opposition zu unseren ursprünglichen Tugenden.

Dankbar bin ich darüber, wie viele interessante Menschen und mittlerweile gute Freunde ich durch die Szene kennenlernen durfte und wie weit sich dieses Netzwerk mittlerweile spinnt. Das ist definitiv mal ein positiver Aspekt der Globalisierung, die natürlich in unserer Szene Einzug gehalten hat. Es ist und bleibt wunderschön, ein Teil davon zu sein und ich danke jedem, mit dem ich diese Erfahrungen teilen kann!

Daksinamurti: Selbstdarsteller haben nun ihr Momentum was auch am Zeitgeist liegt. Aber ja, es gibt sie noch, die Art von Partys mit Gänsehautfaktor – man muss nur ein bisschen unter der Oberfläche kratzen. Vieles ist auch geblieben. Zu den bekannten Trance Hotspots, die auch ihre ups and downs haben, kamen neue hinzu. Mittlerweile gibt es Szenen in Ländern wie China, was man vor 15 Jahren so nicht erwartet hätte. An sich kann man sagen, dass sich der europäische Festivalsommer stark nach Osteuropa verschoben hat. Das liegt auch daran, dass einem als Veranstalter in Deutschland so viele Steine in den Weg gelegt werden, dass es fast unmöglich ist etwas größeres durchzuführen. Die aktuelle Thematik mit dem Fusion Festival und die systematische Behördenwillkür sind hier gute und tagesaktuelle Beispiele. Support your local events – sonst muss man in der Zukunft sehr weit fahren, um ungestört feiern zu können.

Darüber hinaus finde ich es bemerkenswert, was unsere doch kleine Szene für kreative Künstler hat, die einen immer noch fesseln und überraschen. Es gibt viele falsche Vorurteile gegen unsere Szene, unsere Musik und ja elektronischer Musik generell. Vieles wird in der Öffentlichkeit auf Drogen reduziert – ein erbärmlicher Versuch, etwas zu erklären und zu entwerten, was man selber nicht versteht und was über den eigenen Horizont hinausgeht.

Es wäre wünschenswert, wenn Leute die Musik der Artists kaufen und supporten, die sie gerne hören. Festivals schaffen es ja mittlerweile auch innerhalb von wenigen Stunden und Tagen ausverkauft zu sein.

Weniger Konsum Mentalität und mehr Kreativität – werdet aktiv und tragt es nach außen. Ich denke unsere Szene hat viele richtige Ansätze und Antworten wie ein kreatives Miteinander der Kulturen funktionieren kann – gerade in Zeiten wie diesen, in denen vermehrt auf Ausgrenzung und Abschottung gesetzt und gehetzt wird. Ich hätte mir nie vorstellen können einmal so viele Freunde zu haben, die auf der ganzen Welt verteilt sind und an deren Leben teilzuhaben. Es ist eine Quelle der Inspiration – vielen Dank für die Gastfreundschaft und Liebe, die mir so oft entgegengebracht wird.

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