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Goa Trance

25 years

Die Anfangszeit:
Wie Techno zu Goa Trance und dann zu Psytrance wurde

Drei Buchstaben: Mehr braucht es nicht, um eine Schublade zu öffnen. Eine Schublade, in der ein kunterbuntes Meer aus Assoziationen wogt, womöglich sogar ein außerirdischer Bewusstseinszustand. Goa. Wir sehen Fluorfarben in der Nacht, wir sehen Dreadlocks im staubigen Sonnenlicht. Wir riechen Nag Champa, Chai Tee und starke Kräuter. Und wir hören eine ganz bestimmte Art von Musik.

Wo alles anfing

Hand hoch: Wer weiß, woher der Name Goa kommt? Genau: Goa ist der Name eines indischen Bundesstaats, der an der Westküste des Landes gelegen ist. Seine palmengesäumten Sandstrände erfüllen voll und ganz das Postkartenklischee “Paradies auf Erden”. Was diesen Ort wiederum extrem attraktiv macht für jene, die aus dem Alltagsgrau der westlichen Gesellschaft aussteigen wollen, und zwar schon seitdem das Aussteigen aus der westlichen Gesellschaft eine Sache ist.

Goa Beach
Goa Beach
Also Pi x Daumen seit den 60ern. Die Hippies und so. Und wie wir alle aus persönlicher Erfahrung wissen, schreit der Ausstieg aus dem Alltagsgrau der Gesellschaft nach einem Soundtrack. Nach Musik, welche die Nacht zum Tag werden lässt, nach Musik zu der man träumen und lieben kann. Deshalb wurde genau solche Musik besonders gerne an den Stränden von Goa gehört. Und als dort Mitte der 80er die ersten elektronischen Rhythmen strandeten, wurde sie begierig aufgesogen. Zu diesem Zeitpunkt gab es aber wohlgemerkt noch kein Musikgenre Goa. Nein, es war einfach ein wilder Mix aus verschiedenster Musik, die zum Vibe dieses Ortes passte.
Aber elektronische Musik war einfach bahnbrechend. Ihre hypnotischen Rhythmen, welche im Kopf der tanzenden Meute etwas ähnliches anstellen wie bei den Teilnehmern eines archaischen Stammestreffens, kombiniert mit außerirdischen Melodien aus synthetischen Klangerzeugern… all das schickte den Vibe von Goa in eine höhere Umlaufbahn. Das spiegelt sich recht deutlich in den Namen der Platten von damals wieder. So veröffentlichte 1993 ein Künstler namens “Goahead” die “Free Beach” EP, worauf auch ein “Anjuna Mix” zu hören ist. Das Teil kam übrigens auf Eye Q Records, ein echtes Kultlabel – mitbegründet von Sven Väth, der heute als Papa des Techno gilt.

Er war auch Teil von Harthouse Records, ein weiteres Kult-Label der frühen Techno-Jahren. Und hier erschien “Forever After”, das Debütalbum von Koxbox, die wiederum als Pioniere des Goa Trance gelten.
DJ Chicago
DJ Chicago
Wenn man sich die ersten Veröffentlichungen anschaut, die aus heutiger Sicht als früher Goa Trance durchgehen, ist es auffällig zu sehen, dass viele davon auf Labels kamen, die heute für frühen Techno stehen. Es gab damals einfach noch nicht die klare Trennung zwischen Techno und Goa Trance. Alles war ziemlich melodiös, positiv und beschwinglich – gemacht für einen spaßbetonten Lebensstil.
Ein Lebensstil, der sich mit dem Treiben einer bunten Meute von Hippies und Abenteurern entwickelte. So wie z.B. Eight Finger Eddie. An einer Hand mit nur drei Fingern geboren war dieser Menschen chronisch gut gelaunt, hedonistisch und lebensbejahend, immer interessiert an Psychedelika und allen Arten von Bewusstseinserweiterung… er war der Archetyp einer ganz neuen Art von Mensch, spätestens nachdem er gegen 1966 nach Anjuna Beach in Goa übersiedelte.
Damals war Haschisch in Goa übrigens noch vollkommen legal.

Goa Trance war kein Trance aus Goa

Es ist spannend, dass Goa Trance eigentlich gar nicht aus Goa kam. Jan von X-Dream, ein bedeutendes Projekt in der Geschichte des Genres, erinnert sich: “Eigentlich wurde die Musik in Europa produziert. Goa war nur der perfekte Ort um damit zu feiern, unter Palmen und umgeben von schönen Menschen, die nach etwas Besonderem suchten und die ein besonderes Leben lebten. Ich denke, Goa / Trance kam aus Europa. Deshalb hatte Goa nur indirekt einen Einfluss auf meine Karriere. Die Vibes, die uns für unsere Musik inspirierten, kamen aus unserer regionalen Szene, aus Hamburg, Frankfurt und Berlin.

X-Dream
X-Dream
Interessant war damals z.B. die Trance Szene in Frankfurt. Wir hatten damals auf einigen größeren Trance Events in Frankfurt Live gespielt z.B. “Cosmic Trigger” (92/93). Hier war der Vibe Anfang der 90er eher urban und nicht so sehr von Goa beeinflusst. Wir haben damals jedes Wochenende Gigs in Europa, Amerika und Asien gespielt, aber irgendwie haben wir es nicht nach Goa geschafft. Anfang der 90er war der Name “Goa Musik” noch nicht so etabliert. In Bezug auf diesen Sound wurde eher der Begriff Trance verwendet.” Deutschland war nur ein Hotspot in Europa, und Namen wie Waldheim, die erste VooV Experience und das Plattenlabel Spirit Zone haben heutzutage einen geradezu mythischen Beiklang. Auch Mat Mushroom entdeckte die Magie von Goa in seiner regionalen deutschen Szene: “Wie eine Offenbarung war 1994 meine erste bewusst erlebte Goa Party. Alles wirkte zwar vom Techno-Blickwinkel aus betrachtet eher unprofessionell, der DJ konnte zum Beispiel gar nicht mal richtig mixen, doch merkte man den Partymachern gleich an, dass es ihne nicht um Coolness und Schickimicki ging, sondern um phantasievolle Feste.” Noch ein Beispiel dafür, wie Goa weit über den Horizont über dem indischen Ozean hinaus wirkte.
Die trubelige Szene im Vereinigten Königreich war genau so wichtig für die Entwicklung des Genres. DJ Chicago war dabei, als es passierte. Er erinnert sich an seinen langjährigen Freund und späteren 1200 Mics Kumpanen Ron Rothfield, besser bekannt als Raja Ram: “Er kam 1990 zum ersten Mal nach Goa und war von der Szene mehr als nur angetan. Als er zurück reiste, gründete er sofort die Band, The Infinity Project (TIP), die in den frühen 90ern viele Hits hatte. Raja Ram und Graham Wood organisierten dann auch TIP Partys in London, die ebenfalls ziemlich gut waren.” Überall in Europa gab es wilde Partys im Untergrund, wobei Ibiza ein weiterer Hotspot wurde. Die balearische Insel entwickelte sich schnell zu so einer Art europäischem Gegenstück von Goa, und fast jeden Abend gab es eine abgefahrene Party in einer abgefahrenen Location.
Raja Ram & DJ Chicago
Raja Ram & DJ Chicago
Es gab auch einen klimatischen Grund für die Blüte der europäischen Szene, wie sich Chicago erinnert: “Indien hat eine Monsunzeit. Die spaßige Saison ist November bis Ende März, und im April, Mai wird es dann einfach abartig heiß und das ganze gipfelt im Monsunregen im Juni. Dann packen die meisten ihre Sachen und reisen zurück nach Hause.” Ende der 90er waren Goa Trance Partys in Europa bereits so populär, dass eine gewisse Diskussion einsetze. Eine Diskussion, die seitdem aus der Szenekultur nicht mehr wegzudenken ist: Kommerz und Ausverkauf. Im Jahre 1998 erreichte den mushroom beispielsweise folgender Leserbrief aus Bremen: “Jeder Hans & Franz meint, eine Party organisieren zu müssen und die alten Klassiker (VooV/Shiva Moon) mutieren zu jahrmarktähnlichen Großveranstaltungen. […] Was wundern wir uns dann noch, wie wir uns auf der Tanzfläche zwischen Uschi (im “psychedelischen Wickelrock”) und Horst (im frisch erworbenen Batik Shirt, Angebot–nur 45.-) wiederfinden?“
Ein Kommentar der deutlich zeigt, dass sich Underground eben immer an den vielen definiert, die nicht dazugehören. Und dass sich die Szene in ihrem Selbstverständnis immer als Gegenkultur und Alternative verstanden hat.

Wegweisende Goa Trance DJs

Wenn wir hier über das Aufkommen elektronischer Musik in Goa berichten, darf ein Name nicht fehlen: Laurent. Aus heutiger Sicht ein geheimnisvoller Charakter, der angeblich aus seiner Heimat Frankreich auf Reisen ging und aus Goa nie wieder zurückkehrte. Er gilt als einer der einflusstreichsten DJs jener Anfangszeit, und obwohl er damals sehr bekannt und beliebt war, hielt er sich auf sympathische Weise im Hintergrund. Was ihn von einem anderen Wegbereiter des Goa Trance unterscheidet: Goa Gil. In seinem Buch “Global Tribe: Technology, Spirituality and Psytrance”, dem vielleicht tiefgängigsten Werk über die Geschichte unserer Szene, beschreibt Autor Graham St. John eine Situation, in der Laurent und Gil eine Party aufbauten. Laurent war gerade dabei, den Mixer auf einem unscheinbaren Tisch irgendwo in der Ecke der Tanze aufzubauen, als Goa Gil befand, der DJ müsse mehr sichtbare Präsenz und Aufmerksamkeit bekommen. Eine kleiner Moment, der bezüglich des Vibes von damals trotzdem tief blicken lässt…

Goa Gil & Laurent
Goa Gil & Laurent, 1991

Goa Trance als Musikgenre

Wie passierte es denn dann? Wie wurde Goa Trance zu einem eigenständigen Musik-Genre? Fragen wir nochmal DJ Chicago. Der Szene-Veteran erklärt: “In den 80ern nannten wir es Techno. Wir nannten es Techno, weil diese Musik mit Technologie geschaffen wurde. Aber dann, gegen 92, 93, erfand Sven Väth ein neues Genre namens Techno, eine andere musikalische Geschichte. Wir konnten unsere Musik also nicht mehr Techno nennen. Und wir nannten wir sie stattdessen? Trance. Und so wurde es in den 90ern einfach Trance genannt. Aber dann gab es plötzlich ein eigenes Trance-Genre mit diesen… ihr wisst schon, eher clubbigen DJs. Wir konnten es also nicht mehr Techno nennen, wir konnten es nicht mehr Trance nennen, und wir nannten es deshalb sowohl Goa Trance als auch Psychedelic Trance. Das war irgendwann in den 90ern. So wie ich mich erinnere, wurden diese Namen damals gleich benutzt.”

Wegweisende Alben (und Labels) der 90er

Juno Reactor – Transmissions

(Nova Mute 1993)

X-Dream – Trip To Trancesylvania

(Tunnel 1994)
https://www.youtube.com/watch?v=ZbozeKKLyhQ

Astral Projection – The Astral Files

(Trust In Trance 1996)

Growling Mad Scientist – Chaos Laboratory

(Hadshot Haheizar 1997)

Hallucinogen – Twisted

(Dragonfly 1995)

Total Eclipse – Delta Aquarids

(Blue Room 1995)

Green Nuns of the Revolution – Rock Bitch Mafia

(Flying Rhino 1997)

Koxbox – Forever After

(Harthouse 1995)

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