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Am 19. Januar hat der deutsche Bundestag einstimmig beschlossen, dass Cannabispatienten ab März ihre Medikation von den Kassen erstattet bekommen.

Schon 2015 wurde davon gesprochen, 2016 sollte es kommen und jetzt ist es verabschiedet: Die Rede ist vom neuen Gesetz über den Umgang mit Cannabismedizin, die künftig über den Hausarzt verschreibbar sein und für Patienten leichter erhältlich sein soll. Dieses neue Gesetz ab März in die Tat umzusetzen, wurde nun vom deutschen Bundestag beschlossen. Ohne Gegenstimme und Enthaltungen. Die Novelle sieht vor, dass künftig keine Ausnahmegenehmigungen von der Bundesopiumstelle mehr benötigt werden, um an Cannabismedizin zu gelangen. Damit sehen sich Patienten demnächst nicht mehr diesem langatmigen und steinigen bürokratischen Weg ausgesetzt, den die bisher etwa tausend offiziellen deutschen Cannabispatienten gehen mussten, bis sie ihr Apothekengras endlich zuhause hatten. In Zukunft genügt es, seinen Arzt davon zu überzeugen, dass Cannabis als Medikament sinnvoll und hilfreich ist, damit dieser das Marihuana, Dronabinol (THC), Sativex (Cannabis-Extrakt) usw. auf einem Betäubungsmittelrezept verschreibt. Mit dem geht man dann ganz normal in die Apotheke, bekommt seine Pharmaka – und die Krankenkasse bezahlt. That‘s the way it is. Allerdings könnte es passieren, dass manchem kranken Menschen doch Steine in den Weg gelegt werden. Denn ein paar Hürden sind wohl noch zu nehmen, ganz so einfach, wie es sich anhört, ist es dann doch vermutlich nicht.
Die erste Hürde ist der medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK). Patienten, die zum ersten Mal ein BtM-Rezept für Cannabismedizin bekommen sollen, müssen sich nämlich einer Begutachtung seitens dieser Behörde unterziehen. Und die Aufgabe des MDK ist es eben, den Krankenversicherern möglichst viele Ausgaben zu ersparen. Hier geht es leider so gar nicht um die Patienten, sondern vorzüglich darum, diesen nachzuweisen, dass sie die teure BtM-Medizin eigentlich gar nicht benötigen. Und dann kann gut und gern eine Ablehnung der Kostenübernahme folgen. Es heißt nämlich, dass „Schwerkranke“ Zugang zu der von den Kassen bezahlten Medikation erhalten. Was ein „Schwerkranker“ aber ist, wurde nicht definiert. Patienten, die bis jetzt bereits über eine Ausnahmeerlaubnis verfügen, dürften weniger Probleme bekommen. Dennoch werden sich bei Hürde Nummer eins einige Patienten vermutlich die erste Ohrfeige abholen.

Sollte das Gutachten des MDK positiv ausfallen, ist dann aber noch Hürde zwei zu nehmen, und das ist der Hausarzt, der das Rezept ausstellen soll. Man muss wissen, dass Hausärzten seit einer der unsäglichen deutschen Gesundheitsreformen ein nur noch limitiertes Budget für Arzneimittelverordnungen zur Verfügung steht. Wird Betrag X per Medikamentenverschreibung überschritten, müssen die Ärzte in die eigene Tasche greifen und die Differenz selbst tragen. Das wollen – nur allzu verständlich – nur die wenigsten, weshalb es schon jetzt vorkommen kann, dass einen der Onkel Doktor aufs nächste Quartal vertröstet, wenn das Budget so gut wie ausgereizt ist. Sicher bekommt man dann noch seine Herzmedikamente oder Ähnliches. Krankengymnastik und alles, was nicht dringend notwendig ist, wird aber gern aus Kostengründen geschoben. Und weil Cannabismedizin ziemlich teuer ist, können wir davon ausgehen, dass sich so mancher Arzt querstellt, wenn da ein Patient vor ihm sitzt und für über tausend Euro Cannabisblüten aus der Apotheke will. Wir sehen: Noch ist nicht sicher, wie es in der Praxis wirklich aussehen wird. Bleibt abzuwarten, ob wirklich alle Patienten ab März versorgt sind, oder ob sie mal wieder das Nachsehen haben werden.

Zum Hintergrund: Cannabismedizin-Experte und Mediziner Franjo Grotenhermen bezeichnet das neue Gesetz als das „Eigenanbauverhinderungsgesetz“, weil der Regierung daran gelegen ist, dass nicht künftig per Gerichtsentscheid das Homegrowing für Patienten durchgesetzt wird – wie zuletzt geschehen (Hemp5 berichtete). Das würde die Gesellschaft und die Kassen zwar deutlich entlasten, aber da ist ja noch der War on Drugs. Und den wollen sie nicht einfach so fallenlassen und vergessen.

Markus Berger

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