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Nach dem drohenden Ende der Welt 2012 kommt es jetzt noch dicker: Das Ende der deutschen Clublandschaft steht bevor, und zwar pünktlich zum 1. Januar 2013.Ab dann müssen Clubs, Veranstalter und Kneipen nämlich deutlich mehr Geld dafür hinlegen, dass sie die Musik anderer Leute spielen. So viel mehr, dass es gar heißt, 60 – 80% von ihnen könnten direkt dicht machen. Verantwortlich für diese besorgniserregende Entwicklung ist die GEMA, genauer gesagt: Ihre Tarif-Reform 2013.

Der eine oder die andere hat sicher schon mit zustimmender Geste auf den Like-Button unter Parolen wie „GEMA Kacken!’ geklickt. Aber was genau hat es mit der Geschichte eigentlich auf sich? Wird das wirklich so heiß gegessen, wie es gekocht wird? Um es vorweg zu nehmen: Ja.

Eine gute Idee

GEMA steht für Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte. Die gleichnamige Organisation ist eine so genannte Verwertungsgesellschaft. Buchstäblich ver-Wert-et, also zu Geld gemacht werden von ihr die Urheberrechte von Musikern. Und das ist an und für sich eine sehr gute Sache.

Die grundsätzliche Idee: Discotheken, Clubs, Kneipen, Radiosender, usw. verdienen maßgeblich Geld damit, dass sie Musik spielen. Allerdings praktisch nie ihre eigene, sondern die von anderen. Es ist also nur fair, dass diese „anderen’ ein kleines Stück von jenem Kuchen abbekommen, der sich z.B. „Einnahmen einer Clubnacht’ nennt. Natürlich kann ein Musiker aber nicht in allen Tanzschuppen und Kneipen der Republik gleichzeitig sein, um dort zu lauschen, ob seine Werke gespielt werden, und dann freundlich nach einem Obolus dafür zu fragen.

An dieser Stelle kommt die Verwertungsgesellschaft ins Spiel: Der Musiker beauftragt sie mit der Verwaltung seiner Urheberrechte. In Deutschland ist dafür die GEMA verantwortlich. Zusätzlich gibt es noch die GVL, die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten, welche z.B. Labels und Plattenhersteller als „Zweitverwerter’ vertritt.

Das Problem zwischen Theorie und Praxis

Die GEMA soll also ein Auge bzw. ein Ohr darauf haben, was in den Clubs und Discotheken so gespielt wird und dementsprechend Gebühren eintreiben, die anschließend an die eigentlichen Urheber der Musik weitergegeben werden. So weit, so gut- zumindest theoretisch. Praktisch sieht es leider so aus, dass im Bereich Trance oder Techno kaum ein Künstler jemals etwas von den Gebühren sieht, welche die Veranstalter ihrer Szene bezahlen.

Da ist zum Beispiel Marco Menichelli. Als Gründungsmitglied des S.U.N. Project hat er 11 Alben veröffentlicht, zusätzlich viele, viele Singles und Einzeltitel. Es kann wohl mit Recht behauptet werden, dass seine Musik ziemlich oft auf Partys zu hören ist. Trotzdem hat er niemals auch nur einen Cent von der GEMA gesehen.

Für die ist es nämlich ebenfalls nicht gerade leicht, immer überall gleichzeitig zu sein. Deswegen wird die gute alte Statistik rausgekramt. In 120 Tanzbetrieben in Deutschland sind so genannte „Black Boxen’ installiert. Die schneiden pro Woche eine Stunde des Musikprogramms mit. Das Ergebnis wird vermutlich quadriert, durch die Wurzel von PI geteilt und voilá: Hier haben wir ein repräsentatives Abbild davon, welche Titel zurzeit wie oft gespielt werden. Dass wir es hier aber, Statistik hin oder her, mit einer Milchmädchenrechnung zu tun haben, darf wohl auch jemand behaupten, der kein Mathe-Ass ist.

Das Resultat lässt sich schlicht und einfach so zusammenfassen: Die Macher großer Pop Hits, wie etwa Dieter Bohlen oder der Produzent von Madonna, die ohnehin schon haufenweise Geld für Auftritte und Aufträge kassieren, kriegen zusätzlich noch die GEMA Gebühren. Der Trance- oder Techno-Produzent, dem ein echter Sommerhit geglückt ist, sieht dagegen nichts, obwohl auf allen Parties sein Track läuft.

Die Tarif-Reform 2013 in Zahlen

Der eine oder die andere wird sich nun fragen: Wofür bezahlen die Veranstalter und Clubbetreiber unserer Szene GEMA-Gebühren, wenn die Künstler sowieso nichts davon sehen? Das ist eine gute Frage, mit deren Unbeantwortetheit sich viele im Laufe der Jahre abgefunden haben. Nun kommt es aber noch dicker.

Die GEMA will ihre Gebühren nämlich ab dem 1. Januar 2013 drastisch erhöhen. Konkret bedeutet dies im Durchschnitt monatliche Mehrkosten in Höhe von 600 bis 2000%. Und wieder muss man kein Mathe-Ass sein um zu verstehen, dass hier das Aus für sehr viele Clubs und Veranstalter droht.

Was die dramatische Erhöhung ihrer Gebühren angeht, argumentiert die GEMA einerseits so, dass bisher einfach zu wenig bezahlt wurde. Wobei zumindest in unserer Musikszene die Frage aufkommt: Zu wenig für wen? Andererseits wird immer wieder beteuert, man wolle ja nur 10% des eingenommenen Eintrittsgeldes.

Was dabei unterschlagen wird, ist der so genannte Zeitzuschlag: Bei einer Veranstaltung, die länger als 5 Stunden dauert, kommen weitere 50% Gebühren hinzu. Nach 8 Stunden weitere 50%. Und so geht es munter weiter, alle 3 Stunden kommen 50% Gebühren dazu. Gibt es in Deutschland eigentlich elektronische Musikveranstaltungen, die nur 5 Stunden dauern…? Auch der ‘Laptop-Zuschlag’ und die zusätzlichen Gebühren für die eingangs erwähnte GVL werden seitens der GEMA nicht erwähnt.

Die Schiedsstelle

Mittlerweile hat sich die Bundesvereinigung der Musikveranstalter an eine Schiedsstelle gewendet, die darüber entscheiden soll, inwiefern die in vielen Fällen drastisch erhöhten Gebühren der GEMA berechtigt sind. Sie wird vermutlich irgendwo zwischen deren Forderungen und den Vorstellungen der Musikveranstalter entscheiden.

Der Haken daran ist, dass dies bis Juni 2013 dauern kann. Bis dahin müssen die neuen Tarfie der GEMA bezahlt werden- was vor allem kleinen und mittelgroßen Clubs und Veranstaltern das sprichwörtliche Genick brechen würde. Es gilt nun also, auch auf anderen Wegen Druck auf die GEMA auszuüben.

Reaktionen

Einer der ersten, der gegen die Tarifreform und die dadurch gegebene Bedrohung der deutschen Musikkultur vorging, war Matthias Rauh. Mit der folgenden Begründung rief er eine Online-Petition ins Leben, die zum Redaktionsschluss rund 234.000 Unterzeichner zählte: „Die Tarifänderungen führen zu existenzbedrohenden Erhöhungen der GEMA-Gebühren für Livemusik- und Tonträgerveranstaltungen.

Die GEMA will offensichtlich ihre Einnahmen auf Kosten der Musikveranstalter erheblich steigern’. Alle, die bisher noch nicht unterzeichnet haben, seien hiermit ausdrücklich aufgerufen, dies möglichst schnell zu tun: Suche im Internet einfach nach .

„Wir müssen genau so heftig reagieren, wie uns hier gedroht wird – sonst sehe ich schwarz für 2013!’ sagt Ananto, der vielen aus unserer Szene unter dem Namen Infin-E.T. als Dekokünstler z.B. für seine Faden-Skulpturen auf der Antaris bekannt sein dürfte. Seit 1994 veranstaltet er die Mystic Rose in Berlin, seit 5 Jahren den Mystic Friday. Er gehört zu den engagierten Aktivisten, wenn es um die Verhinderung der GEMA-Tarifreform 2013 geht. An dieser Stelle sei ihm übrigens ganz herzlich für die vielen Gespräche und Informationen gedankt!

Auf seinen Veranstaltungen im Berliner KitKat Club wird mitten in der Nacht die Musik gestoppt, eine kurze Rede gehalten und auf die Problematik aufmerksam gemacht. Im Foyer können die Besucher sich dann weiter informieren und direkt an der Petition teilnehmen.

Fair Play

Mit vielen anderen Aktivisten, die sich als Aktion Fair Play zusammengeschlossen haben, wurde am 25. Juni 2012 kurzfristig eine Kundgebung in Berlin organisiert, die zeitgleich zum GEMA – Mitgliederfest dort stattfand.

Nach nur 2-wöchiger Vorbereitung bewiesen 5000 – 6000 Teilnehmer den politischen Geist unserer Zeit, dem die Beastie Boys mit einem ihrer größten Hits eine Hymne geschaffen haben: You gotta fight – for your right – to party! Am folgenden Tag verbuchte die Online-Petition einen enorm hohen Zuwachs an Unterzeichnern. Noch besser: Durch diese Kundgebung gelangte das Thema massiv in die Medien.

Mittlerweile wird es dort kritisch diskutiert und auch Politiker, wie etwa der Sprecher der CDU / CSU Bundestagsfraktion sowie natürlich die Piratenpartei, äußern scharfe Kritik an der geplanten Tariferhöhung.

Was nun, was tun?

Einige Veranstalter prüfen nun, inwieweit es möglich ist, eine Party komplett ohne GEMA-pflichtige Musik zu fahren. Dafür können sie Playlists abgeben, die das beweisen sollen. Ist allerdings auch nur ein Titel dabei, dessen Urheberrechte durch die GEMA vertreten werden, sind die vollen Gebühren fällig- plus ggf. Strafgebühren.
Aktivist Ananto will sich gar nicht auf ein „und was machen wir dann?’ einla

ssen. Für ihn steht fest: Die Durchsetzung der neuen Tarife muss auf jeden Fall gestoppt werden. Neben der Online-Petition wird es voraussichtlich ab September vermehrt Kundgebungen und Demonstrationen geben, zu deren Teilnahme wir alle Leser ausdrücklich ermuntern möchten. Denk dran: So lange alle brav vor Facebook und Twitter kauern, wird es keine echte Revolution geben!

Sehr gute, stets aktuelle Informationen finden sich z.B. auf diesen Seiten:


(Rubrik „GEMA News’)

Roberdo Raval

Marco Menichelli, S.U.N. Project
Die grundsätzliche Idee der GEMA ist ja durchaus gut, aber die Umsetzung ist vollkommen inakzeptabel. Als hauptberuflicher Musiker bin ich seit 16 Jahren bei der GEMA gemeldet. In dieser Zeit habe ich keinen einzigen Cent von den Gebühren gesehen, welche die GEMA bei Veranstaltern und Clubbetreibern für das Spielen meiner Musik eintreibt. [] Ich denke darüber nach, aus dieser Organisation auszutreten, denn sie gefährdet meine berufliche Existenz, indem sie die Existenz meiner Arbeitgeber bedroht.’

Informationen zum Diskothekenmonitoring der GEMA
Zu den insgesamt in Deutschland erfassten ca. 5.000 Tanzflächen zählen überwiegend Diskotheken, aber auch andere Tanzbetriebe mit unterschiedlichen Musikangeboten. Aus dieser Menge werden ca. 120 Tanzflächen durch eine so genannte „geschichtete Zufallsstichprobe’ statistisch so ermittelt, dass durch einstündiges Programm-Monitoring pro Woche und Tanzfläche […] das gesamte Spektrum der in einem Jahre wiedergegebenen Musiktitel repräsentativ abgebildet wird.’

Dr. Motte auf der Fair Play-Kundgebung in Berlin
Entgegen der Behauptung der GEMA, sie wolle lediglich 10% der Eintrittsgelder, stellt sich heraus, dass durch die vielen neuen Zuschläge durchschnittlich 600 – 2000% Verteuerung auf die Veranstalter und Clubbetreiber zukommt. […] Dies bedroht die Existenz aller Clubs und Veranstaltungsorte bundesweit!’

Beispielrechnung von Matthias Rauh, Initiator der Online-Petition ‘Gegen die Tarifreform 2013 – GEMA verliert Augenmaß’
Bei durchschnittlich zehn Veranstaltungen pro Monat in einer mittelgroßen Discothek mit 2 Dancefloors von z.B. 410 und 310 qm bei einem Eintrittsgeld von 8 Euro erhöhen sich die GEMA-Gebühren (inkl. aller Zuschläge) von 21.553 Euro netto/Jahr auf 147.916 Euro netto/Jahr (+ 686 %).’

Ananto, Infin-E.T./ KitKat Club & Mystic Friday
Vom drohenden Clubsterben sind ja nicht nur die Betreiber und Veranstalter betroffen. Da hängen etliche Leute drin: Theken- und Kassenpersonal, Grafiker, Putzkräfte, Disc Jockeys, Licht- und Sound-Techniker, Türsteher, Musikmedien mit ihrem Personal…das geht sogar soweit, dass z.B. Berlin einen nicht unerheblichen Teil seines Tourismus verlieren könnte, wenn ein Großteil der Clubs dicht macht bzw. der Eintritt und die Getränkepreise unermesslich teuer werden, um die hohen Gebühren rein zu kriegen!’

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