Roberdo fragt: Klassenfreie Gesellschaft?
Die Grenzen der Gesellschaft durchbrechen. Den Traum einer besseren Welt wahr werden lassen. Gleichheit für alle. Wir sind eins. Das sind die Parolen, unter denen wir dieser Tage Wochenende für Wochenende auf die Äcker der Festivallandschaft ziehen.
Und für jene manchmal kurzen, manchmal erstaunlich langen Momente der Magie auf der Tanzfläche scheint es so, als seien sie wirklich geworden. Aber ein nüchterner Blick auf das Geschehen der großen Festivals offenbart: So großartig anders als die Alltagswelt, in der wir leben, sind sie letztendlich auch nicht. Heute möchte ich diesen nüchternen Blick auf die Handgelenke der Trance-Szene werfen. Es soll um die Bändchen gehen, die dort von manch einem über Jahre hinweg gesammelt werden. Genauer gesagt: Es soll um die Farbe dieser Bändchen gehen – und was sie bedeutet.
Vielleicht hat es mit dem indisch geprägten Ursprung der Goa-Szene zu tun, dass sich auf ihren Festivals ein Kastensystem entwickelt hat? Zeig mir, welches Bändchen du hast – und ich sage dir, wer du bist! Der zahlende Besucher ist in der Hierarchie, die sich ums Handgelenk herum abzeichnet, gewissermaßen der Bodensatz. Mag auf der Tanze gut aussehen und auch eine ganze Menge Spaß haben, aber letztendlich ist er an seinem Bändchen klar und deutlich als stampfendes Fußvolk zu erkennen. Jene, die zumindest schon mal die richtigen Leute kennen bzw. der richtigen Person verheißungsvolle Signale in Richtung möglichem Geschlechtsverkehr geben, sind da schon eine Stufe höher. Auf einem gut organisierten Festival signalisiert die Farbe ihres Armbands für jeden gut sichtbar: Ich stehe auf der Gästeliste, ich hab keinen Eintritt bezahlt. Natürlich kann das noch nicht mal ansatzweise mit den wirklich angesagten Farbcodes der Artists und Organisatoren mithalten. Sie funktionieren gewissermaßen wie Pheromone. Einmal gesichtet lösen sie im Auge des Betrachters eine sofortige, unkontrollierte Verhaltensänderung aus: Der kann mir einen Gig klar machen. Der ist eine coole Sau. Mit dem sehe ich gut aus, selbst wenn er die wildeste Gesichtskirmes auf dem Platz hat. Und nur mit den begehrten Triple A´s (Access All Areas) kommt man in die wirklich coolen Bereiche des Festivals, wie etwa den undekorierten Charme des Bauzaun-Quadrants hinter der Bühne, wo man mit ein bisschen Glück ein lauwarmes Bier findet, das man dann neben den wirklich wichtigen Leute der Szene schlürfen kann. Ach ja, wo wir gerade im Backstage sind: Woran erkennt man die unsichersten, sozial schwächsten Zeitgenossen auf einem Festival? Daran, dass die ihren Backstage-Pass auch noch auf der Tanze und beim Anstehen am Klo um den Hals tragen.