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Wir gehen mit einer neuen Reihe an den Start: Ein anonymer Szene-Aktivist erzählt über das, was hinter den Kulissen des Psytrance Business WIRKLICH abgeht.
Und los gehts… worauf habe ich mich da nur eingelassen! Eine ziemlich lustige Sache, würde ich mal sagen. Denn ich erzähle gerne über das, was ich in meinem Tour-Alltag so erlebe. Und ihr als meine potenziellen Fans habt es verdient, an der einen oder anderen Story teilzuhaben. Manches ist zum Totlachen, manches zum Kopfschütteln, und manchmal werdet ihr einfach nur noch sagen: WTF!?
Anfangen möchte ich mit dem Thema Backstage. Viele denken ja immer noch, das bedeutet Koks und Nutten satt und auf umme. Und obwohl ich beides auch schon im Zusammenhang mit den Backstages dieser Welt erlebt habe, muss ich euch sagen: Weit gefehlt! Zunächst möchte ich loswerden, dass ein Backstage vom optischen Vibe her meist ein verdammt trostloser, langweiliger Ort ist – das gilt sogar für die fettesten, am geilsten dekorierten Festivals. Es ist ein pragmatischer Space hinter der Bühne, umgeben von Bauzäunen oder nackten Betonwänden, wo sich Berge aus Staub und technischem Equipment türmen. Wenn man großes, großes Glück hat steht dazwischen noch so ein häßlicher, mit grellen Leuchtstoffröhren beleuchteter Kühlschrank. Der ist dann ab spätestens Mitternacht leer gesoffen.
An diesem Ort hängen die wichtigen Leute, die kreativen Macher der Szene rum. Produzenten wie ich, DJs und Veranstalter – und die, die mit ihnen zu tun haben möchten. Man könnte aber auch sagen: Jungs und Mädels, die schon so viel und lange gefeiert haben, dass sie eigentlich gar nicht mehr auf die Tanzfläche gehen. Da bin ich selbst natürlich nicht ganz unschuldig, ich zähle mich durchaus dazu. Nach fast 20 Jahren als DJ und Produzent stehe ich nur noch ein paar mal pro Jahr da, wo die eigentliche Party abgeht, also auf der Tanzfläche. Stattdessen stehe ich vor und nach meinem Gig meist mit den Kollegen im Backstage rum. An vielen verschiedenen Orten quatschen wir immer wieder über ähnliche Themen. Momentan ganz, ganz viel über die Bonusprogramme von Fluglinien. Hier ein paar O-Töne meiner jetsettenden Produzenten-Kollegen aus den letzten Wochen, vielleicht ist auch einer von mir selbst dabei: “Alter, der Veranstalter letztes Wochenende war doch echt zu blöd für diese Welt und hat mir einen Flug gebucht, der keine Bonusmeilen abgeworfen hat! Dabei bin nur noch 5000 vom Senator Upgrade entfernt!” – “Krass, das ist ja eine richtig üble Nummer, geht ja gar nicht! Ich habe jetzt ja wenigstens genug Punkte, um in der Airport Lounge zu chillen – richtig fettes WLAN da!” – “Ja, das onboard WLAN auf meinem letzten Flug war auch richtig fett. Ich bereue keine Sekunde, dass ich für das Business Class Upgrade 10000 Punkte verbraten habe.” – “Bei meiner letzten Tour habe ich auf First Class bestanden. Das ist total geil, und du kriegst super viele Statusmeilen für jeden Flug.”
Außerdem lästern wir im Backstage sehr gerne über Veranstalter ab. Zum Beispiel, dass es irgend so eine verpeilte Niete nicht hingekriegt hat, das neueste Firmware Update auf die Nexus Player zu ziehen – wirklich gebraucht haben wir es zwar nicht, aber es steht ja wohl klar und deutlich im Technical Rider. Dass die Bühne zu dunkel und der Monitor zu leise war. Dass der verfluchte Backstage-Kühlschrank nicht nur leer, sondern nicht mal angeschlossen war. Dass hinten auf der Bühne ein Sofa stand, auf dem ein paar total besoffene Spacken rumhingen, die vermutlich nicht mal DJs waren und da mal sowas von nichts zu suchen hatten. Zusammenfassend lässt sich sagen: Bleibt da wo ihr seid, denn im Backstage verpasst ihr nicht all zu viel. Es ist sozusagen die Raucherecke oder der Kaffeespender des Musikgeschäfts: Essentiell fürs Überleben des Betriebs, nicht gerade hübsch anzusehen, voller wichtiger Leute und voller extrem trivialer Gesprächsthemen.

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