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Angebot und Nachfrage: Wenn man Wirtschaftsleute fragt, ist klar, wie das Spiel zwischen den beiden läuft. Aber ich bin Musikproduzent. Und für mich ist das nicht immer einfach. Okay, nach vielen erfolgreichen Jahren in der Szene weiß ich natürlich, wie die Sachen funktionieren. Also wie es sich mit dem Angebot und der Nachfrage in Sachen Psytrance Musik verhält. Aber ich muss euch ehrlich sagen: Dieses Wissen kollidiert immer wieder mit meinen künstlerischen Bestrebungen als Kreativer. Ja, ich bin deswegen immer wieder richtig angepisst. Das ist das Thema heute: Warum ich mich künstlerisch nur bedingt ausleben kann, warum aktuelle Veröffentlichungen immer wieder gleich klingen und warum es gewisse Newcomer schaffen, innerhalb von wenigen Jahren horrende Gagen einzusacken.

Ich habe fast jedes Wochenende einen Auftritt irgendwo auf diesem Planeten. Der Sound, den ich dabei spiele: Ich stehe dahinter. Aber es ist nicht unbedingt das Beste, was ich drauf habe. Ich könnte eigentlich viel mehr. Ich habe auf meiner Festplatte diverse Projekte und fertige Tracks liegen, die ich persönlich als wesentlich innovativer, dynamischer und deshalb interessanter empfinde als das, wofür mich die Szene offenbar liebt. Aber der Dancefloor will diese Sachen nicht hören. Nein, der Dancefloor will immer wieder das gleiche.

Ich habe kurzfristig mal was anderes probiert, bin ein bisschen technoider geworden, habe ein paar längere Parts mit Breakbeats eingebaut. Mein Label fand das nicht geil. Und bei den 2,3 Gigs auf denen ich diesen Sound spielte brach die Stimmung spontan ein. Okay. Also mache ich halt Schema X, ich weiß ja wie das geht und dass es die Leute lieben. Und klar, es ist toll zu sehen, wie die Leute auf meine Produktionen abgehen und eine gute Zeit haben. Balsam fürs Ego. Als Kreativer fühle ich mich aber manchmal wie ein Marathonläufer, für den das Rennen schon nach ein paar Kilometern mit brausendem Applaus beendet wird. Die Nachfrage seitens der Szene entspricht nicht wirklich dem, was ich künstlerisch zu bieten habe. Man stelle sich ein Restaurant mit einem ambitionierten Koch vor, der über die Jahre viel Erfahrung gesammelt und ein paar echt raffinierte Rezepte entwickelt hat – aber die Kunden wollen nur jenes einzige Gericht, das am Eröffnungstag auf dem Menü stand. Langweilig.

Was für mich frustrierend ist, das ist für andere ganz fantastisch. Denn dadurch, dass die Nachfrage so klar definiert ist, ist es relativ leicht ein dazu passendes Angebot zu schaffen. Stichwort: Copycats. Die Nachmacher. Die erste große Nachmacher-Welle, an die ich mich erinnere, wurde von Neelix ausgelöst. Der ist zweifelsohne kein Nachmacher. Im Gegenteil, er hat einen neuen Sound erfunden, der verdammt gut ankam. Offbeat und so. Und von diesem Gut-Ankommen wollten natürlich viele andere Nachwuchs-Produzenten was abhaben. Das aus meiner Sicht merkwürdige: Der Dancefloor fand es geil – obwohl eine Party oft so klang, als würde Neelix ein 7-Stunden Live Set hinlegen. Einige dieser Produzenten wurden damit echt erfolgreich. Die Nachfrage machte es möglich.

Aber ich wage zu unterstellen, dass die Kreativität im Sinne von “etwas Neues schaffen” auf der Strecke blieb.
Natürlich ist seitdem auch viel Neues geschaffen worden. Man denke nur an die ganzen Subgenres, die es heute gibt. Das war und ist wirklich kreativ und innovativ. Aber innerhalb dieser Subgenres hat sich das Copycat Phänomen, das ich gerade beschrieben habe, sehr stark etabliert. In der schrägen Welt, in der wir leben, geht es vielen in erster Linie um Bestätigung. Generation Like. Viele fangen nur an zu produzieren, weil sie abgefeiert werden wollen. Der Fistpump vor einem möglichst großen Publikum – und natürlich das Video davon auf Facebook: Darum geht es dieser Generation von Produzenten. Das mühselige Gefrickel im Studio, die langen Nächte, das nerdige Gehabe mit den Synthies… all das ist diesen Leuten eigentlich lästig und ein notwendiges Übel. Das geht mittlerweile so weit, dass andere Produzenten angeheuert und bezahlt werden, um anonym und hinter verschlossenen Türen die “Drecksarbeit” im Studio zu machen.
Auch hier gilt: Die Nachfrage macht’s möglich…

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